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Der Segeltörn (SKS)

Reisebericht
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Eine Idee wird geboren

Der folgende Bericht setzt sich zum Teil aus meinen Erinnerungen, privaten Aufzeichnungen und dem von der Mannschaft geführten Logbuch zusammen.

Segeln: „Die Fortbewegung eines Segelschiffs oder eines Segelboots unter Nutzung der Windenergie.“ (Quelle: Wikipedia)

Bisher war ich ja immer zu Fuß unterwegs, per pedes wie man so schön sagt. Allein durch den Wind 300 Seemeilen voran zu kommen muss eine halbe Ewigkeit dauern, aber warum nicht? Wie lang ist überhaupt eine Seemeile? Was hat es mit diesen ganzen Knoten auf sich und wie wird eigentlich navigiert wenn das GPS ausfällt? Achterstag, Spiefall, Großbaum und Genua, von diesen Begriffen war noch lange nichts zu hören, als mein Interesse für das Segeln aufkam. Begonnen hat alles auf dem Dresdner Inselfest 2010, als man für 5 Euro auf einem Speedboot die Elbe hinauf und wieder runter fahren durfte. Zusammen mit Freunden habe ich mir diesen Spaß gegönnt, sind wir unter Führung der Laubegaster Wasserwacht über Wellen gesprungen und bei Haarnadelkurven fast ins Wasser gefallen, ein Riesenspaß bis in die Nacht hinein. Der krönende Abschluss war die Beobachtung des Laubegaster Feuerwerks direkt vom Wasser aus - ein Eindruck welcher in mir die Sympathie zur Seefahrt weckte, auch wenn dieses Erlebnis fast nichts mit dem späteren Törn auf dem Meer gemeinsam hatte. Aber egal, die Idee war geboren und ich musste unbedingt wissen wie das geht.

Wieder daheim in Freiburg suchte ich nach einer Yachtschule und meldete mich für den Sportbootführerschein (SBF) See und Binnen an, welcher die Zugangsvoraussetzung für weitere Scheine, Patente und das Segeln auf Yachten ist. Viel Theorie, wenig Praxis und dennoch mit viel Spaß auf dem Rhein lernten wir die Grundlagen der Schifffahrt bei unserem Ex-Luftwaffenpiloten Horst, ähnlich wie beim PKW-Schein von Anfang an. Als wir dann nach ca. vier Monaten endlich unseren SBF See/Binnen in der Hand hielten wurden wir auf den Hochschul-Segelclub Freiburg (HSCF) aufmerksam gemacht. Besonders groß war das Segel-Interesse in unserer SBF-Gruppe leider nicht, so dass die meisten von uns mit dem Führen von kleinen Motorbooten zufrieden waren und anschließend wieder eigene Wege gingen. Das konnte es doch aber noch nicht gewesen sein. Nicht für mich! Und so sammelte ich Informationen zur Segelyachtausbildung beim HSCF und trat ein halbes Jahr später zusammen mit meinem Kollegen Björn dem Freiburger Segelverein bei.

Theoretische Ausbildung
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Sportküstenschifferschein (SKS): Die erste Lizenz für das Führen von Segelyachten.

SKS war unser Stichwort für das nächste halbe Jahr. Der Sportküstenschifferschein ist der erste große amtliche Schein für das Führen von Yachten unter Motor oder sogar unter Segel. Nachdem wir uns angemeldet hatten spürten wir sogleich die angenehme und lockere Atmosphäre in der ersten von Klaus gehaltenen Theoriestunde. Themen wie Navigation, Wetter- und Meereskunde, Seemannschaft, Schiffsbautechnik und Seerecht standen für sechs Monate auf der Tagesordnung und es hat nicht lange gedauert bis wir die ersten Kartenaufgaben vorgesetzt bekamen. Knifflig waren sie von Beginn an, das Arbeiten mit Kursdreieck und Marinezirkel auf Seekarten in A0 ist schon etwas anderes. Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit in der das große Abenteuer auf dem Ozean lauerte und hegt eine Menge Respekt vor den früheren Navigatoren und Kapitänen, welche ohne elektronische Hilfen wie GPS, Radar oder Echolot in See stachen. Und diese manuelle Navigation gehört auch heute noch zur Grundausbildung zum Skipper, wie auch die Einschätzung der Wetterlage, das Arbeiten mit dem Kompass, Orientierung nach Befeuerung und Betonnung, Kursbeschickung und so weiter, schon waren wir inmitten einer neuen Sprache gelandet, dem Seefahrtsjargon, der bereits seit Jahrhunderten gebraucht wird und größtenteils von den Niederländern und den Portugiesen stammt. Die Navigation kann bedenkenlos als der schwierigste Teil der Theorieprüfung gesehen werden und genau bei diesem Thema war ich dankbar vieles davon bereits in meinem Vermessungsstudium gehört zu haben. Die meisten Kapitel habe ich als verdammt interessant empfunden, vom Seerecht einmal abgesehen. An dieser Stelle also auch ein Dankeschön an die gut organisierten und meist kurzweiligen Vorlesungen der Referenten beim HSCF, insbesondere an Klaus Biehler.

Langsam aber sicher rückte der Prüfungstörn näher, zwei Wochen über Ostern sollten es sein. Es gab Angebote in der Nord- und Ostsee, dem Ijsselmeer und dem Mittelmeerraum, für den Björn und ich uns letztlich entschieden haben, genauer gesagt für den Elba-Korsika-Törn. Dort ist es bereits im April recht warm, die See ist nicht so stürmisch wie in der Nordsee und die Ausbildungsskipper, welche sich für das Mittelmeer bereitstellen, sind wahrscheinlich von der weniger stressigen Sorte, die auch was für Erholung und Urlaub übrig haben. Kurz gesagt, in allen Punkten haben wir uns geirrt! Doch das merkten wir erst während der zwei Wochen auf See und so war die Vorfreude groß, gemischt mit dem Gefühl des Unbekannten, etwas komplett Neues kam auf uns zu, vor allem auf mich. Als Einziger der Mannschaft war ich noch nie auf einem Segelboot unterwegs, damit hatte ich nicht gerechnet. Wie genau unsere achtköpfige Mannschaft aussah, das erfuhren wir dann im Januar 2012, als unser Skipper ein erstes Treffen organisierte und die verschiedenen Posten aufteilte. Die wichtigsten waren der Proviantmeister (Herbert) und der Schatzmeister (Björn), weitere Verantwortung wurde in den Bereichen Kultur und Fotografie an die Mannschaft übertragen, wobei ich mich zu letzterem zählen durfte. Neben Björn und mir gehörten noch Rainer, Klaus, Peter, Andre, unser Co-Skipper Herbert und Skipper Thomas zum Team. Der erste Eindruck war: Tolles Team, tolle Männer und ein Skipper, der aufgrund seiner Aktivitäten im Yachtsport (aktives Regattenmitglied) eine Menge Erfahrung vorweisen konnte, das beruhigte uns zunächst.

Schon bald wurde es ernst, es ging ans Packen: Was wird benötigt? Auf was kann verzichtet werden? Die Vorgabe vom Skipper war maximal ein zusammenfaltbares Gepäckstück pro Person, der Platz an Bord ist bei acht Personen auf einer 15 Meter Yacht sehr begrenzt. Dank meiner Trekkingtouren in den vorangegangenen Jahren besaß ich bereits recht kompakte Kleidung und Ausrüstung, so dass ich vor allem dem Kapitel Medikamente etwas mehr Zeit widmen konnte. Von Anfang an schwirrte der Gedanke an die Seekrankheit chronisch in meinem Kopf herum, den ich mit ein wenig Optimismus immer gut verdrängen konnte, doch jetzt war der Punkt gekommen an dem ich mir ernsthafte Gedanken darüber machen musste. Als jemand, der noch nie bisher auf See gewesen ist, wollte ich eine möglicherweise auftretende Seekrankheit nicht dem Zufall überlassen, zumal mir schon auf kurvigen Autofahrten recht schnell unwohl wird und auch die von vielen geliebte und von mir gehasste Schiffsschaukel auf dem Jahrmarkt ein Quell der Übelkeit für mich darstellt. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mir sogut wie von jedem Medikament gegen Seekrankheit ein Exemplar besorgt. Von der schwachen Reisetablette über homöopathische Mittel wie Ingwer und Ginkgo-Kügelchen bis zu starken Vitamin C Präparaten und (nicht mehr in Deutschland zugelassenen) Stugeron-Kapseln. Übertrieben? Wahrscheinlich, aber es beruhigt ungemein ein solches Arsenal im Gepäck zu haben, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Am Ende hatte nichts von dem geholfen, einzig unser Skipper hatte ein sehr starkes Mittel im Gepäck, von dem die Bedürftigsten etwas ab bekamen.

Es wird ernst
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Kurze Pause auf der Fahrt nach Piombino: Klaus, Andre, Thomas und Peter (v.l.n.r.).

Schnell war die Zeit ran und wir alle trafen uns am Freitag, den 30. März 2012 gegen 22 Uhr vor dem Konzerthaus in Freiburg. Wir teilten uns auf die zwei Autos von Peter und Rainer auf: Björn, Herbert und ich saßen in Rainers VW-Bus und der Rest kam in Peters Mercedes unter. Schon zu Beginn der Fahrt ereilte uns ein mittlerer Schreck als wir bemerkten, dass einige ihre Prüfungsunterlagen nicht bei sich hatten. Ursache war ein Mißverständnis mit Claudia, der Geschäftsstellenleitung des HSCF, und so fuhren wir noch am Abend bei ihr vorbei und holten die Unterlagen ab, ohne denen wir nicht zur Prüfung zugelassen worden wären. Eine Nachtfahrt sollte es also sein, über Basel - Mailand - Livorno bis hinunter nach Piombino, wo wir am nächsten Morgen 8 Uhr ankamen und mit der Fähre auf Elba übersetzten. Das frühe Tageslicht im April zeigte uns wunderschöne Landschaften entlang der italienischen Mittelmeerküste während der Himmel begann sich blau zu färben und die Sonne den Horizont Minute für Minute auf das Meer hinaus trug. Und dann waren wir in Piombino! Ein ziemliches Drecksloch dieser von Kohlekraftwerken umgebene Ort, anders kann man es nicht bezeichnen. Dennoch hätte das Wetter nicht besser sein können: 25°C am Hafen, auf der Fähre dann nur noch 15°C und sehr windig. Was ich bei der Überfahrt auf Elba überhaupt nicht wahrhaben wollte war das leichte Gefühl von Übelkeit auf der Fähre, einer recht großen Fähre mit 4 bis 5 Etagen. Das konnte doch nicht wahr sein! Wie soll das erst auf unserer kleinen Yacht sein?

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Portoferraio: Hier begann unsere Segelausbildung und hier verabschiedeten wir uns für zwei Wochen vom Alltag. Ein neuer Alltag auf See begann!

Nach einer Stunde Fahrzeit legten wir im Hafen von Portoferraio an, Hauptstadt der zur Toskana gehörenden Insel Elba und Winterresidenz des Exils von Napoleon Bonaparte. Typisch für diesen Ort ist die Lage an einem Steilhang, sehr beschaulich und südländisch, kein Vergleich mit Piombino und seinen Kraftwerken. Kurz nach unserer Ankunft sind wir mit unseren beiden PKW's vom Stadthafen zum viel gemütlicheren Yachthafen gefahren, setzten uns in ein nahe gelegenes Eiscafe und schauten uns die hier liegenden Segelyachten an. Die Zeit zur Übernahme unserer für die nächsten 14 Tage bewohnten Yacht war noch nicht ran. Vor allem Thomas lief begeistert die Anlegestellen auf und ab und zeigte uns die verschiedenen Schiffsklassen, Rennyachten, Luxussegler, sogar ein Zweimaster lag seelenruhig im Hafen. Überhaupt war es hier sehr ruhig, fast schon wie ausgestorben. Ein Blick auf die Uhr verriet es uns: Siesta! So läuft das hier im Süden, da bewegt sich nichts und niemand zu viel, und inzwischen waren auch wir aufgrund der Nachtfahrt etwas ausgelaugt.

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Edil Nautica: Trockengelegte Segelyacht und Dienstauto unserer Vercharterin.

Als unsere Siesta vorbei war, nahmen wir das letzte Ziel für heute in Angriff: Die Ankunft an der Edil Nautica am südwestlichen Ende von Portoferraio! Hier liegt der von einer deutschen Unternehmerin geführte Vercharterer namens Buechi-Yachting und hier lag unsere Bavaria 46 zur Übergabe bereit. Die Zahl steht dabei für die Länge von 46 Fuß, der Name zur Identifikation über Schiffsfunk lautet TOSCA. Die Inspektion aller Punkte dauerte 3 bis 4 Stunden und wurde von Thomas als Skipper mit der Besitzerin und ihrem Schiffsingenieur (Typ: Vin Diesel) durchgeführt. Alles wurde penibel überprüft, von der Takelage über die Motoren, den Zustand der Segel bis hin zu den Notsignalmitteln. Währenddessen war ich mit Rainer, Björn und Herbert (Proviantmeister) ganz groß einkaufen. Stunden schoben wir unsere Wagen durch einen Supermarkt und arbeiteten unsere seitenlange Einkaufsliste ab. Keiner wusste ob es später noch einmal solch eine Einkaufsgelegenheit geben würde und so stellten wir den Großteil der für die nächsten zwei Wochen benötigten Speisen und Getränke zusammen, dazu gehörte natürlich auch Bier, Wein, Whisky und vor allem Limoncello für unseren Skipper.

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Andre und Björn helfen Proviantmeister Herbert beim Verstauen der Verpflegung.

Die Bavaria 46 hat eine voll ausgestattete Küche mit einem freischwingenden Herd an Bord. Es war also möglich auf See und bei Seegang zu Kochen, was wir dann auch genutzt haben. 14 Tage bei 8 Personen abzüglich dem Skipper, der wird bekocht, durfte jeder zweimal seine Kochkünste bei mehr oder weniger starkem Seegang beweisen, und fast jeder hoffte auf weniger Seegang. Wir kamen zurück und sahen wie sich der Rest der Mannschaft auf dem Bug liegend sonnte - die Übergabe war erfolgreich. Allerdings war unser Großeinkauf von so großem Interesse, dass alle sofort ihre zweite Siesta beendeten und, zunächst misstrauisch ob auch ihre Wünsche berücksichtigt worden, dann verheißungsvoll in unsere bis zum Rand mit Lebensmittel vollgestopften Autos schauten. Es ist erstaunlich wie viele Schränke, Klappen, Regale und Schieber wir beim Verstauen auf unserer Yacht fanden, sogar die Bodenbretter konnten entnommen und der unterste Teil des Bootskörpers mit Bier aufgefüllt werden. Anschließend bezogen wir unsere Kabinen von denen es vier gab: Zwei am Heck, eine größere am Bug und die kleinste mittschiffs an Backbord (links) mit Tendenz zum Bug. In dieser befand sich das einzige Doppelstockbett und die relativ mittige Lage sollte Schaukelbewegungen abschwächen, hier haben Björn und ich uns einquartiert und was soll man sagen: Wer schon einmal das im Hamburger Hafen liegende U-Boot besichtigt hat und über die winzigen Kajüten, selbst für die Offiziere, verwundert war, der hat eine ungefähre Vorstellung von unserem ersten Eindruck, denn größer waren unsere auch nicht. Unser Segelboot war für maximal acht Seemänner ausgelegt und keine noch so zierliche Meerjungfrau hätte mehr reingepasst, theoretisch! Jedenfalls war jetzt allen klar weshalb jeder nur ein einziges zusammenfaltbares Gepäckstück mitnehmen durfte, für diverse Koffer wäre einfach kein Platz gewesen.

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Ausrüstungscheck: Auch die Automatik-westen wurden einer Prüfung unterzogen.

Unser Skipper, ab sofort nur noch Thomas genannt, legte sogleich los mit der Schiffs- und Sicherheitseinweisung, den ersten Erläuterungen zum Aufbau unseres Schiffes, seinen Durchlässen und der Kontrolle unserer Automatikwesten, welche wir über Nacht aufgeblasen im Gemeinschaftsraum liegen lassen und die am nächsten Morgen auch aufgeblasen vorgefunden werden sollten. Ein langer Tag war das und langsam lief er dem Ende entgegen, der vorerst letzte Tag in der uns bekannten Welt, dem Festland. Die Sonne ging unter und trotz ausnahmslos männlicher Gruppenmitglieder konnte man eine gewisse Romantik beim Blick auf das ins Wasser abtauchende Abendrot nicht abstreiten. Wir saßen gemeinsam an Deck, tranken Bier und Wein, aßen Spaghetti - für die erste warme Mahlzeit aus der bordeigenen Kombüse hatte sich Peter bereiterklärt - und Thomas erzählte uns die ersten Witze, Witze von denen wir im Laufe der nächsten Wochen mehr als genug hören sollten. Die Autos wurden abgeschlossen, die Duschräume von Buechi-Yachting ein letztes Mal benutzt und alsbald begann es ruhig zu werden, nur das Anschlagen von kleinen Wellen am Rumpf war zu hören, unsere Yacht schaukelte leicht vor sich hin und ich verspürte weder Übelkeit noch Unbehagen, im Gegenteil, ich bin selten schneller eingeschlafen als in dieser Nacht. Der Wecker wurde auf 7 Uhr gestellt und auf der Tagesordnung standen Einweisungen, verschiedene Manöver unter Motor und die Fahrt nach Marciana Marina. Ob wir morgen schon Segel setzen werden? Kreuzen, Halsen oder Wenden? Hol dicht die Großschot!, Rund Achtern!, Fier auf die Schoten!, Stützruder!!!!! ...was auch immer das alles bedeutete.

Unter Motor
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Optimistischer Blick kurz nach unserem ersten Ablegemanöver.

Die Nacht war schnell vorbei und zum ersten Mal bin ich auf dem Wasser aufgewacht. Irgendwo auf dem Boot rumorten erste Stimmen und kurz darauf sprudelte der Kaffeeautomat vor sich hin, Aufstehen war angesagt! Noch während des Frühstücks, Thomas hatte leckeres Rührei gemacht, wärmte uns die Sonne kräftig auf, das würde ein heißer Tag werden. Es wurden die Tanks für Trinkwasser und Schiffsdiesel aufgefüllt, ein letzter Check und schon hieß es: Ablegen! Wir lernten die notwendigen Handgriffe und die dazugehörigen Befehle. Da wir mit dem Heck zum Land standen war das Manöver sehr einfach. Leinen lösen, an Deck springen und vorsichtig Gas geben, dabei genügend Abstand zu den anderen Booten halten, notfalls mit dem Bootshaken wegdrücken, zuletzt Fender einholen und aus dem Hafen navigieren. Schwieriger ist da schon das Ablegen bei einem längsseitig festgemachten Boot, Eindampfen in die Vorspring (Bugleine) genannt, bei dem die Wirkung des Radeffekts (Drehimpuls des Propellers) genutzt wird um das Heck vom Steg weg zu bekommen. Aber das bekamen wir erst einige Tage später bei einem Auftankmanöver gezeigt.

Ein merkwürdiges Gefühl wenn zum ersten Mal die letzte Verbindung zum Land gekappt wird. Als wir dann die Edil Nautica hinter uns ließen fanden wir uns in der vor Portoferraio liegenden Bucht wieder und hier haben wir die bereits beim SBF gelernten Techniken mit unserer Yacht geübt. Dazu gehörte das An- und Ablegen, Wendemanöver und das wichtige Mann-über-Bord-Manöver. Der Unterschied im Fahrverhalten zu unserem kleinen SBF-Boot war riesig, in etwa vergleichbar mit dem Wechsel von einem VW Polo zu einem ausgewachsenen Wohnmobil. Kursänderungen sind um ein Vielfaches träger, der Wenderadius deutlich größer, die Lage stabiler, alles in allem ein beruhigendes Gefühl. Allerdings wehte nur ein ganz kleines Lüftchen und die Segel waren noch nicht gesetzt. Dass sich unser großer Kahn auch wie eine Nussschale in der Badewanne beim Ablassen des Wassers verhalten kann, das haben wir etwa fünf Tage später herausgefunden.

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Rainer hilft dem Schiffsingenieur unseres Vercharterers bei der Reparatur eines gerissenen Schaltzugs.

Panne! Ich weiß nicht mehr wer von uns gerade am Ruder stand aber es wurde von einer Sekunde zur nächsten keine Motorleistung mehr auf den Propeller übertragen. Der Schaltzug war gerissen! Glücklicherweise waren wir noch in der Bucht von Portoferraio und nicht mitten auf dem Meer und Gott sei Dank war gerade sehr wenig Bewegung auf dem Wasser, denn genaues Manövrieren war nun nicht mehr möglich. Mit Andre am Getriebeschalter und Peter, der die Befehle des Steuermanns in den Maschinenraum weitergab, konnten wir wieder zurück in die Edil Nautica steuern. Noch während der Fahrt eilte uns der über Funk informierte Schiffsingenieur auf seinem Sportboot zu Hilfe und nach seiner Diagnose war eine Reparatur auf dem Wasser unmöglich, also ging es wieder zurück an Land. Hier überließen wir die Sache dem Ingenieur unter Zuarbeit von Thomas und Rainer, der sich im Motorenbereich als handwerklich begabt herausstellte. Die anderen machten es sich derweil auf dem Vorschiff gemütlich, aßen zu Mittag, sonnten sich und überhaupt war es inzwischen an der Zeit für eine Siesta. Ich schmierte mir ein Nutellabrötchen und legte mich ebenfalls auf das Vorschiff, den Kopf an unser Rettungsboot gelehnt ruhte ich eine Weile. Zwei Stunden später pfeifte uns Thomas zusammen, der Motor war wieder einsatzbereit, nur die Mannschaft noch nicht. Einigen von uns war etwas träge zumute, der frühe Nachmittag zollte seinen Tribut, es war der 1. April 2012 und wir hatten bereits 30°C.

Als wir wieder in der Bucht ankamen setzten wir mit dem Mann-über-Bord-Manöver fort. Es galt eine Boje über Bord zu werfen und diese unter Nutzung der vorgeschriebenen Kommandos und eines Manövers entsprechend der Windrichtung wieder an Bord zu holen. Gar nicht so einfach die Windrichtung bei 1 bis 2 Windstärken am Verklicker (Fähnchen am Ende des Großmast) zu ermitteln, doch Thomas gab uns den Tipp den Blick auf das Wasser zu richten und das winzige Wellenmuster zu studieren, je nach Windrichtung hat es einen eigenen Charakter. Wir fuhren noch immer unter Motor und erst jetzt wurde mir bewusst wie kompliziert die Systematik wird wenn wir dann unter Segel fahren würden. Diese Übung war hervorragend geeignet um ein Gefühl für die schwere und träge Yacht zu bekommen und zu guter Letzt ist dieses Manöver prüfungsrelevant für den SKS.

Unter Segel
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Marciana Marina: Letzter Stopp auf Elba vor der Überfahrt nach Korsika.

Am späten Nachmittag war es endlich soweit, wir setzten Segel! Den Weg zu unserem Zielhafen Marciana Marina würden wir unter Segel zurücklegen. Thomas wies die bereits erfahrenen Mitglieder Andre und Herbert an das Großsegel loszubinden, auszupacken und klar zu machen. Macht die Lazyjacks frei!, Lose für Großschot und Baumniederholer!, Kurs im Wind halten! und so weiter... Inzwischen hielt ich mit den anderen noch unerfahrenen zukünftigen Skippern verschiedene Leinen in der Hand, dessen Namen mir noch nichts sagten. Auf Kommando von Thomas ziehten wir an einer Leine und setzten damit das Großsegel, zogen es mit aller Kraft hoch. Während dieser Zeit musste der Mann am Ruder peinlich genau darauf achten den Kurs im Wind zu halten (Wind von vorn) damit das Großsegel beim Setzen nicht ausschlägt oder sich verhakt. Erst jetzt wurde der Motor abgestellt und plötzlich herrschte einsame Ruhe, wie auf einem Floß dahintreibend. Als nächstes war die Genua an der Reihe, dabei handelt es sich um ein vergrößertes, anstelle der Fock gesetztes Vorsegel und ist zumeist auf Segelyachten anzutreffen. Je nach Windrichtung wird es an Backbord oder Steuerbord ausgefahren und bei Kursen hart am Wind (Wind kommt fast von vorn) mit Hilfe einer Winsch dichtgeholt, wobei hier bei starker Windkraft trotz 2-Gang-Getriebe ordentlich Manpower gefragt ist. Als beide Segel gesetzt und an die Kurs-, Wind- und Seegangsverhältnisse angepasst waren, segelten wir entlang der Küste von Elba bis nach Marciana Marina und lernten dabei die Wende kennen, ein Manöver das zum Kurswechsel führt und bei dem die Yacht mit dem Bug durch den Wind geht. Dabei weht der Wind kurzzeitig auch von vorn und nach Abschluss des Manövers von der anderen Schiffsseite, die Segel wechseln also ihre Stellung. Der Steuermann muss dafür die Yacht immer näher in den Wind bringen, so weit bis die Windwirkung nachlässt und die Segel kurz vorm Einfallen sind, jetzt kann das Vorsegel geführt übergeben werden und das Großsegel auf die andere Seite schwingen.

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Torre dei Appiani: Ein im 12. Jahrhundert erbauter pisanischer Wehrturm.

Als wir gegen 19 Uhr im Hafen von Marciana Marina einliefen weckte ein alter Leuchtturm mit einer historischen Kaimauer unsere Aufmerksamkeit. Der ganze Hafen versprühte ein wunderbar südländisches Flair, doch zunächst musste sich jeder auf das Anlegemanöver konzentrieren. Der Motor wurde wieder angeworfen, Fender wurden ausgelegt und zwei Springer machten sich bereit zum Sprung. Thomas versuchte das Heck möglichst nah an den Steg zu manövrieren und damit den Sprung an Land zu verkürzen. Ich gehörte zu den Werfern, welche die Achterleinen vorbereiteten um sie anschließend den Springern an Land zuzuwerfen. Schnell musste es jetzt gehen: Achterleine werfen und um einen Poller legen, kurz anziehen und das Ende dem Werfer zurückwerfen, der es durch eine am Heck befestigte Klampe ziehen und mit einem Kopfschlag belegen muss, für größere Knoten ist keine Zeit. Zuletzt wird die Mooringleine, eine fest im Wasser verankerte Kette, aus dem Hafenbecken gefischt und am Bug befestigt, damit die Yacht auch längsseitig stabilisiert ist. Nun war es geschafft! Das erste Bier wartete bereits und wir erkundeten den kleinen Hafen und vor allem den Leuchtturm aus der Nähe.

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Die Kaimauer von Marciana Marina schützt den Hafen vor Sturmwellen und war alles, was uns noch von Korsika trennte.

Der Blick über die Kaimauer war atemberaubend: Die Küste verlief schroff und steinig bis zum Horizont und schloss an die scheinbar endlose Weite des Meeres im Licht der untergehenden Sonne an. Zum Abend gab es eine Spezialität vom Skipper: Grießklößchen-Eintopf! Zunächst skeptisch ob das für acht Männer denn ausreiche ließen wir ihn ohne größere Einwände gewähren. Und es hatte sich gelohnt, der Eintopf war einfach nur ein Genuss. Ob das an der körperlichen Anstrengung oder am Seeklima lag war uns dabei egal! Abends saßen wir an Deck, tranken Limoncello, wobei alle bis auf Thomas schnell wieder auf Bier umgestiegen sind, viel zu süß der Limoncello. Die zweite Nacht auf dem Wasser begann, wieder schlugen kleine Wellen gegen die Bordwand und ließen uns schnell einschlafen. Am nächsten Tag stand die Überfahrt nach Korsika an, eine Entfernung von 35 Seemeilen bzw. 60 Kilometern war zu überwinden, oder mehr wenn der Wind ungünstig kommt und wir zum Kreuzen gezwungen werden.

Auf nach Korsika
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Guten Morgen: Frühstück an Bord der TOSCA gegen 7 Uhr 30, ein langer Tag steht bevor.

Der Montag begann ähnlich früh wie der Sonntag. Gegen 7 Uhr hörte ich Stimmen und Kaffeekochergeräusche aus der Kombüse, also schnell angezogen, Katzenwäsche in der Hafendusche gemacht und schon saßen wir alle am Tisch unter Deck und frühstückten während Thomas uns mit erheiternden Reden bzw. seiner Art von Humor beglückte. Als wir die Leinen los machten standen erst einmal verschiedene Manöver wie Wende und Mann-über-Bord-Manöver auf dem Lehrplan bevor wir am frühen Nachmittag Richtung Korsika segelten. In den Pausen zwischen den Übungen verzehrten wir Unmengen an Müsli- und Schokoladenriegeln während Thomas uns theoretisches Wissen vermittelte, zum Beispiel über Rettungs- und Seenotsignalmittel oder die Möglichkeiten der Segeltrimm oder die verschiedenen Sensoren der Yacht oder die Eigenarten von Motor und Getriebe, wobei uns letzteres zwangsweise aufgrund der Panne am Vortag beschäftigt hat.

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Gute Krängung (Schräglage) bei gutem Wind während der Fahrt nach Bastia.

Windstärke 3 von Süd-Ost bei leichtem Seegang und mittlerer Wolkenbedeckung bei fallendem Luftdruck. Das waren die aktuellen Wetterparameter als wir uns nun endlich auf nach Bastia machten. Der Wind kam fast optimal und so konnten wir direkten Kurs nach Le Vieux Port nehmen, dem alten Stadthafen von Bastia. Wir machten ordentlich Fahrt bei deutlich sichtbarer Krängung und saßen fast alle in Luv, also auf der dem Wind zugewandten Seite. Nur Andre lag entspannt auf der Bank oder besser gesagt auf der Lehne der Bank, so stark war die Krängung bereits. Es war ein herrliches Gefühl von Freiheit wenn einem der frische Wind ins Gesicht bläst und mit 7 bis 10 Knoten auch die Geschwindigkeit stimmt. Wenn der Steuermann jede einzelne Welle am Ruder spürt und dagegenhält ohne die stabile Lage im Wasser zu riskieren. Ab und zu die Sonne durch die Wolken bricht und die Segel in einem blendenden Silber erstrahlen lässt. Und so segelten wir Richtung Westen und entfernten uns vom Toskanischen Archipel. Korsika, wir kommen!

Eigentlich war alles wunderbar, aber: Der Wind und damit die Wellen kamen von achtern, also von schräg hinten, damit macht die Yacht bei jeder Welle eine Rollbewegung über drei Achsen und diese hat für viele Landratten einen gewaltigen Nachteil: Das flaue Gefühl im Magen meldet sich zu Wort! Klaus sprang auf einmal nach Lee, also zur dem Wind abgeneigten Seite, und ließ geschehen was nicht zu verhindern war. Etwa eine Stunde später konnte die Mannschaft dieses Schauspiel erneut verfolgen, diesmal mit mir im Rampenlicht. Da muss man wohl einfach durch! Das ganze wiederholte sich noch ein paar Mal. Der Umgang mit den Seekranken an Bord war vorbildlich. Ohne große Erregung wurde es fast schon zur Normalität, es gehörte einfach mit dazu und war zu akzeptieren. Das einzige No-Go war der Navigationstisch mit den Instrumenten und Seekarten. Thomas hätte uns Kielholen lassen wäre dieser Ort eingesaut worden! Von der an diesem Tag erstmals gezeigten und prüfungsrelevanten Halse, einem Manöver bei dem nicht der Bug sondern das Heck durch den Wind dreht, haben wir nicht mehr viel mitbekommen. Klaus lag in der Koje und ich auf der Bank an Deck. Für den Rest des Tages lauschten wir den Kommandos, die irgendwo aus der Ferne zu kommen schienen. Nach drei Tagen hat sich der Körper daran gewöhnt, meinte Thomas, und so ging es mit uns weiter bis zur Hafeneinfahrt in Bastia.

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Le Vieux Port: Der alte Stadthafen von Bastia beeindruckt bei Tag und Nacht.

Erstaunlicherweise fühlt man sich schon beim ersten Sichtkontakt zum Hafen spürbar besser und sobald der erste Fuß wieder auf festem Boden steht schwebt man wie auf Wolken. Von der ganzen Übelkeit keine Spur mehr, ein kräftiger, gesunder Appetit überkommt einen. Sobald der zweite Fuß mit dem Land Kontakt aufgenommen hat dreht sich das Karussel weiter, nicht innerlich sondern äußerlich schwankt der Körper gut 10 Zentimeter hin und her, ohne, dass man diese Bewegung kontrollieren kann. Das erste Bier in Bastia auf den bisher wohl nüchternsten Magen überhaupt gab es nach einer Kletterpartie auf einer wackeligen Leiter hinauf zur Kaimauer. Etwa 20 Uhr war es bereits und die Sonne tauchte erneut ein ins gold-rot schimmernde Mittelmeer. Wir fühlten uns alle wohl und schliefen zwei Stunden später tief und fest.

Wettervorhersage um 0600 von Meteo France für Seegebiet östlich von Korsika: Wind von Süd-Ost bei 2 bis 3 Beaufort, also eine schwache Brise, Regen und vereinzelt Gewitter, nichts Weltbewegendes, könnte aber nass werden. Das war an diesem Tag der Job von Klaus und das gehörte zu den Aufgaben, die ein Tagesskipper so zu erledigen hatte. Jedem wurde zweimal während des gesamten Törns die Verantwortung für Schiff und Mannschaft übergeben, einmal in der ersten Woche in Korsika und das zweite Mal während der Prüfungsvorbereitung auf Elba. Dazu gehörte auch das Einholen des Wetterberichtes, was ohne Französischkenntnisse anfangs etwas schwierig war. Es galt die Aufgaben für das Klarmachen der Yacht vor dem Auslaufen zu verteilen, die Technik wie Motor und Navigationsinstrumente zu überprüfen, Durchlässe zu kontrollieren, die Planung der täglichen Route am Navigationstisch vorzubereiten und so weiter. Wir wollten bis Ende der Woche an der Südspitze der Insel in Bonifacio sein, das bedeutet, wir würden heute bei Wind von Süd-Ost einen Kurs hart am Wind halten und teilweise Kreuzen müssen. Klaus berechnete die zu steuernden Kurse zum heutigen Ziel Port de Taverna in Campoloro und schon stachen wir erneut in See.

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Navigationstisch mit GPS, Seefunkanlage, Kartenmaterial und Schiffselektronik.

Aufgrund meiner Seekrankheit vom Vortag war ich heute größtenteils am Ruder anzutreffen, der bevorzugte Ort an dem die Beschwerden gering bleiben. Die Tätigkeit am Ruder erfordert ständige Aufmerksamkeit, vor allem bei stärkerem Seegang, denn jede Welle muss ausgeglichen werden ohne dabei an Fahrt zu verlieren und hier habe ich mich wohl gefühlt. Neuer Kurs 085!, tönte es aus dem Unterdeck. Also ein Wende-Manöver durchführen und anschließend 085 Grad am Steuerkompass einstellen. Die Befehle dafür saßen inzwischen recht sicher und so befahl ich den Männern an Groß und Genua sich vorzubereiten (Klar zum Wenden! - Ist klar!) und luvte an bzw. drehte den Bug durch den Wind (Ree! - Halt back die Genua!). Sobald ich die Genua einfallen sah gab ich das Kommando an die Vorschoter das Segel auf die andere Seite zu ziehen (Über die Genua!), das Groß wanderte daraufhin selbstständig hinüber und schlug die Yacht über die Längsachse auf die andere Seite, der Wind kam jetzt von Steuerbord. Zur besseren Beurteilung der Segelstellung wechselte ich ebenfalls auf die andere Seite, nahm das zweite Steuerrad in Beschlag und stellte den neuen Kurs 085 ein. Jetzt mussten nur noch die Segel so weit geöffnet werden, bis der Wind optimal greifen konnte (Schoten auf Am-Wind-Kurs!) und es konnte wieder Ruhe an Deck einkehren.

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Die schroffe Küste Korsikas: Lange weiße Sandstrände findet man hier eher selten.

Wir segelten jetzt Richtung Osten um damit den Abstand zur Insel vergrößern und anschließend wieder einen günstigen Kurs nach Süden einnehmen zu können. Dieses Spiel wiederholten wir so oft es notwendig war. Die Wegstrecke verlängert sich durch das Kreuzen natürlich immens, aber es bewahrt einem davor zu hart am Wind zu segeln und dadurch an Fahrt zu verlieren. Wegen der unzähligen Manöver, wir hatten an diesem Tag intensiv Halse und Q-Wende geübt, kamen wir erst zur Dämmerung in Campoloro an. Ich weiß nicht mehr wer an diesem Abend für uns gekocht hat aber es war lecker, jetzt waren wir aufeinander eingestimmt. In der anfänglichen Aufregung war mir die Schönheit Korsikas noch gar nicht richtig aufgefallen, doch mein Bewusstsein dafür änderte sich von Mal zu Mal und stieg bis zur Südspitze immer weiter an. Schroffe Klippen und weiße Strände gepaart mit abendlicher Hafenromantik und dem Rauschen des Meeres, und hebt man den Blick so füllen Berge den Horizont aus und tauchen ein in Wolkenformationen um darin in einer gemeinsamen Silhouette zu verschwimmen. Was für ein Kontrast, diese Insel muss auch zu Fuß erkundet werden!

Zum alten Hafen
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Manchmal hat uns Thomas sogar verwöhnt: Frisches Rührei zum Frühstück!

Der Wecker klingelte kurz nach 6 Uhr während sanfte Wellen einen zum Weiterschlafen überreden wollten; Kaffee brodelt und heisere rauhe Stimmen tönen - die Seeluft machts möglich; Müsli und Rührei zum Frühstück inklusive einer dreiviertel Portion Witz; Dabei kurze Tagesplanung: Manöver optimieren, jeder muss jede Position einnehmen und verantworten können, anschließend Weiterfahrt nach Porto-Vecchio. Das ist unser neuer Alltag, Überraschungen gibts keine mehr, dachten wir zumindest. Innerhalb von fünf Tagen wurde unser Rhythmus komplett auf den Kopf gestellt, acht Männer zusammen auf einer winzigen Nussschale in einem großen Teich. Wir hatten gutes italienisches Essen, Wasser und Wein, jeden Tag frische Luft und meistens Sonne, alles fühlte sich gut an, naja fast alles, doch die Seekrankheit hatte ich endlich überwunden.

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Schwer zu fotografieren: Delphine liefern sich ein Wettrennen mit unserer Yacht.

Bereits 7 Uhr 30 waren wir auf See, viel Zeit zum Üben blieb an diesem Tag dennoch nicht, am Abend sollten wir 86 Seemeilen auf dem Log stehen haben, aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir wechselten uns gegenseitig am Ruder ab während die anderen bei Kursänderungen die Segel bedienten, um kurz danach wieder ihren Beschäftigungen nachzugehen. Die beliebtesten waren: Delphine beobachten! Eigentlich war das Meer ziemlich tot, von den unzähligen Seeigeln an der südlichen Steilküste bei Bonifacio einmal abgesehen, und eben den Delphinen. Meist kamen sie im Doppelpack auf uns zu, motiviert, sich ein Wettrennen mit uns zu liefern das wir gnadenlos verlierten, schwammen sie pfeilschnell vor unserem Bug daher und sprangen immer wieder aus dem Wasser. Kaum hatten sich Peter und Rainer aufgemacht ihre Kameras zu holen um das Schauspiel festzuhalten, hatten sich auf den wackeligen und Wasser aufschlagenden Bug vorgekämpft, waren die Delphine auch schon wieder fort. Ein paar wenige Aufnahmen sind uns trotzdem geglückt, auch dank des Skippers Trick die Delphine mit Schlägen auf den Bootsrumpf anzulocken. Die zweite beliebte Beschäftigung war das Sonnen auf der Luv-Seite der Yacht, je stärker die Schräglage desto entspannter das Sonnen.

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Bei Regen reißt sich niemand um das Ruder! Doch die Crew hat einen versorgt.

Die Winde wehten abermals aus Süd-Ost, so dass wir erneut Kreuzen mussten was auch den hohen Seemeilenstand am Ende des Tages erklärte. Leider wurde das Wetter immer schlechter, es zogen dichte Wolken auf, die das Sonnen an Deck schnell ungemütlich werden ließen. Inzwischen war ich an der Reihe und löste Björn am Ruder ab, versuchte den dunklen Wolken davonzusegeln. Man bekommt recht schnell ein Gefühl dafür wie nah am Wind man eine Yacht segeln kann bei der der Wind noch gut und kräftig greift ohne eine zu starke Krängung zu riskieren. Zur Bestätigung hielten wir ständig das Log mit der Anzeige der Knoten (Seemeilen pro Stunde) im Blick. Es wurde zu einem regelrechten Wettrennen wer unserem Kahn die höchste Geschwindigkeit entlocken kann, bei einer Windstärke von 3 Beaufort war aber noch nicht so viel los, wir erreichten etwa 7 Knoten. Auch der später einsetzende Regen, der mir aufgrund des Gegenwindkurses ins Gesicht peitschte, konnte die Laune nicht mindern, während sich der Rest der Crew im Windschutz des Bimini-Verdecks aufhielt und mich mit Schokoladenriegeln und heißem Tee über Wasser hielt. Nach zwei Stunden am Ruder war ich gut durchgeweicht, aber zumindest die Füße waren trocken auch wenn Wanderschuhe eigentlich nichts auf einem Boot zu suchen haben und mehr als einmal für belustigende Kommentare aus den eigenen Reihen sorgten. Es war der nasseste und kälteste Tag der gesamten zwei Wochen, und auch der längste, von der Übernachtfahrt einmal abgesehen.

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Geschmacksache: Kochen bei guter Fahrt will gelernt sein.

An diesem Abend war ich mit Kochen an der Reihe. Wegen der langen Wegstrecke musste das Essen gegen 18 Uhr noch bei Fahrt unter Segel zubereitet werden, was bedeutete, dass der gesamte Herd von der Krängung entkoppelt wurde und frei in der Bordküche umherschwang während man bei einer Neigung von etwa 30 Grad vor den Töpfen stand oder das Gemüse schnitt. Keine besonders angenehme Tätigkeit vor allem durch die schneller aufkommende Übelkeit bei Arbeiten unter Deck. Hält man aber hin und wieder den Kopf aus dem Niedergang und lässt sich frischen Wind ins Gesicht blasen geht es einem schnell wieder besser. Das Feierabendbier musste zunächst ausgelassen werden denn auch auf dem Wasser gilt eine Grenze von 0,5 Promille. Als es zunehmend dunkler wurde kam Thomas auf die Idee noch ein paar Übungsmanöver bei Nacht zu fahren. Gerade das schon bis zum Erbrechen geübte Mann-über-Bord-Manöver erstrahlte in neuem Glanz als wir eine Leuchtboje über Bord warfen und nach dem einstudierten Ablauf wieder einsammelten. Der Mann am Ruder vergab die Befehle: Andre Ausguck!, Klaus Bootshaken!, Bereit machen zur Halse! ...und wir machten uns bereit, denn weit war unser Ziel nicht mehr entfernt.

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Abendliche Hafenromantik: Porto-Vecchio bei Nacht und Vollmond.

Gegen 21 Uhr kamen wir endlich dem Hafen von Porto-Vecchio näher und begannen mit der Ansteuerung auf Sicht. Wir erlebten unsere erste Ansteuerung bei Nacht, eine spannende und hochinteressante Erfahrung! Es galt die unterschiedlichen Sektorenfeuer zu identifizieren und den Regeln entsprechend zu navigieren. Die einzelnen Feuer waren deutlich schwerer auszumachen als in unserem Lehrbuch, wie so oft ist die Praxis eben anders. Leitfeuer, Quermarkenfeuer, auf der Sektorengrenze bleiben, das Feuer mit der Blitzkennung an Backbord lassen und so weiter, das internationale Regelwerk für die Navigation bei Nacht ist einfallsreich. Nunmehr unter Motor und inzwischen allesamt müde liefen wir in den Hafen ein und suchten uns eine passende Liegestelle. Wie gewonnen, so zerronnen! Als wir endlich einen freien Platz fanden und das Anlegemanöver durchführten mussten wir kurz darauf feststellen, dass keine Mooringleine vorhanden war, der Bug konnte so nicht festgemacht werden. Erneut hieß es abzulegen und einen anderen Platz zu finden, was um diese Uhrzeit nicht einfach war, denn wir waren mit Sicherheit die letzte einlaufende Yacht und mussten nehmen was übrig bleibt. Laut Logbuch wurde um 22 Uhr 50 der Motor abgeschaltet, wir waren in Porto-Vecchio (italienisch für "Alter Hafen"), einer französischen Gemeinde im Süden von Korsika. Zeit für einen kurzen Landgang würden wir am nächsten Morgen haben.

Porto-Vecchio
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Muss auch ab und zu sein: Thomas und Klaus beim Deck schrubben.

Ausschlafen, frische Brötchen, anschließend ein Trip in die Stadt... wie entspannend doch ein Segeltörn sein kann. Der Landgang war dringend nötig! Die erste Gelegenheit das korsische Leben zu schnuppern, mit den Korsaren in Kontakt zu treten. Schon nach den ersten 100 Metern fand ich die kleine Stadt einfach herrlich! Schmale Straßen schlängeln sich durch das hügelige Porto-Vecchio hinauf zum rustikal und eng gebauten Stadtkern, von dem aus ein weiter Blick über die Dächer und dem dahinter liegenden azurblauen Meer möglich ist. Mit Björn und Herbert besuchte ich einen Souvenirladen in dem die beiden sich neue Brillenbänder besorgten um von der Nase rutschende Sonnenbrillen zu sichern, die See behält alles. Ich kaufte mir nur ein paar Postkarten und wurde an der Kasse von zwei schönen Korsarinnen überrascht, denn mir fiel erst jetzt auf, dass ich eigentlich kaum ein Wort Französisch spreche. Irgendwie haben die beiden gemerkt woher ich kam und versuchten daher mit ihrem französischen Akzent auf Deutsch zu kommunizieren. Normalerweise erwartet man von einem Franzosen kein derartiges sprachliches Entgegenkommen, doch die Korsaren sind anders, betrachten sich als eigenständige Nation, nicht zu Frankreich gehörig, und das hat man hier und auch später in Bonifacio gespürt.

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Ein Kaktus in Porto-Vecchio auf dem Weg zum Souvenir-Shop.

Schon 12 Uhr, wir müssen zurück! Die vielleicht schönsten Sandstrände der Insel und die hier befindlichen Salzgärten blieben uns leider verborgen, auch von den alten Befestigungen aus der Zeit der Herrschaft Genuas haben wir nicht viel sehen können. Ich kam wieder zu dem Schluss, dass diese Insel einmal zu Fuß erkundet werden muss! 13 Uhr wollten wir ablegen und an diesem Tag war ich der Tagesskipper. Zum Glück trafen die anderen etwas früher auf der TOSCA ein und hatten bereits mit den Vorbereitungen zum Auslaufen begonnen. Ich musste noch den Seewetterbericht in der Capitainerie einholen und dann sofort die Aufgaben an die Mannschaft verteilen. Motorcheck, Kontrolle von Bilge, Durchlässe und Luken, Wegplanung, Logbuchführung und so weiter. 13 Uhr 10 machten wir die Leinen los und navigierten auf Sicht entlang der Hafenausfahrt bis zur Tankstelle. Thomas zeigte uns hier das Eindampfen in die Vorspring, ein Manöver zum längsseitigen Anlegen an einer Hafenmauer. Dabei steuert der Rudermann zunächst schräg mit dem Bug an die Mauer heran während ein Mannschaftsmitglied vom Bug aus an Land springt und den Bug mit einer zugeworfenen Leine (Vorspring) an einem Poller festmacht. Anschließend wird das Heck an die Mauer gedreht und ebenfalls mit einer Leine (Achterspring) an Land festgemacht. Das Manöver haben wir etwa zwei Stunden lang geübt, so dass jeder einmal jede Position einnehmen durfte. Der größte Kick für die meisten war wohl die Aufgabe des Springers, denn der Sprung von der Bugspitze an Land muss genau im richtigen Moment passieren, sonst entfernt sich der Bug wieder von der Mauer und alles muss von vorn begonnen werden. Umgedreht springt man beim Ablegen als letzter auf die Bugspitze. Zögern ist hier unangebracht und Unvorsichtigkeit wird mit einem Bad im Hafenbecken quittiert. Bevor wir heraus auf das offene Meer steuerten füllten wir noch die Tanks mit Schiffsdiesel, wer weiß schon wann wir wieder eine Flaute haben und nicht vom Fleck kommen. Zwei Tage später sollte genau das Gegenteil eintreten.

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Alle Positionen besetzt: Die Mannschaft wartet auf Kommandos vom Rudergänger.

Den Rest des Tages verbrachten wir mit Übungen: Mann-über-Bord mit Halse sowie Beidrehen und Auflösen über Halse standen auf dem Plan. Auf einmal wurden wir von einem lauten Knall unterbrochen, ein kurzer Blick in die entsprechende Richtung brachte keinen Hinweis. Was war das? Das kann nur... Jagdflieger der französischen Luftwaffe! Immer öfter wurde die Ruhe auf dem Meer gestört als zwei Kampfflieger Formationen und Angriffstaktiken flogen, anders konnten wir uns die teilweise knapp über dem Wasser (10 bis 20 Meter) durchgeführten Flugmanöver nicht erklären. Auf Korsika musste wohl eine französische Militärbasis sein. Nach einer Weile widmeten wir uns wieder unseren eigenen Manövern, es sollte zum Ankern in die Bucht von Rondinara gehen, was leider durch das lange Üben und die einbrechende Nacht verhindert wurde. So segelten wir zurück nach Porto-Vecchio und besichtigten die Stadt abermals. Abends besuchten wir eine nahe gelegene Hafenkneipe und hörten das Ende eines wohl guten Live-Konzerts. Die Stimmung war hoch aber die Nacht war reif, morgen soll es endlich nach Bonifacio gehen, dem Ort wovon alle schwärmen, ich hatte ihn vorher noch nie gehört.

Bonifacio
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Ganz im Süden von Korsika: Bonifacio am Abgrund. Die 187 Stufen der Treppe des Königs von Aragon zur Eroberung der Stadt erkennt man als saubere in den Fels gehauene Gerade.

Der nächste Tag begann wieder früher. Nachdem alle bereit zum Auslaufen waren nahmen wir direkten Kurs auf Bonifacio, wegen der anhaltenden Flaute mit Unterstützung der Maschine. Erst gegen 11 Uhr 35 schalteten wir laut Logbuch den Motor ab und segelten bei 1 bis 2 Windstärken gemütlich über die ruhige See. Während der Fahrt erzählte uns Thomas was zu den Meeresströmungen, gab Tipps zur Wetterprognose durch Wolkenbeobachtung und wollte uns irgendwann auch einmal die Handhabung seines Sextanten erklären. Die theoretischen Prüfungen eine Woche nach dem Törn rückten in unser Gedächtnis, und verschwanden zugleich wieder. Jetzt war die Praxis dran und diese musste in exakt einer Woche auf Elba bestanden werden, ansonsten könnte man die Theorie auch gleich sein lassen.

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Lavezzi mit seinen Granitriffen: Ein von Seefahrern noch heute gefürchteter Ort.

Eine Weisheit aus dem Erfahrungsschatz unseres Skippers: Cirren und Frauen kann man nicht trauen! Cirruswolken können ein kommendes Tiefdruckgebiet ankündigen, ob es jedoch tatsächlich zu einem Unwetter führt? Man weiß es nicht genau, und so ignorierten wir die Cirren hoch oben am Himmel und entspannten uns, beobachteten Delphine und genossen den Anblick der fernen Berge. Kurz nach 15 Uhr kam endlich richtig Wind auf und sorgte für einen deutlichen Schub an Geschwindigkeit. Sind das die ersten Anzeichen der Straße von Bonifacio, der Meerenge zwischen Korsika und Sardinien? Der etwa 12 Kilometer breite und bis zu 70 Meter tiefe Durchlass ist bei den Seefahrern gefürchtet wegen seiner widrigen Witterungsbedingungen, Meeresströmungen, Untiefen, Felsen, Riffe und anderer Hindernisse. Alsbald tauchten die ersten Untiefen an der Südspitze auf, diese galt es in großem Bogen zu umfahren. Ein Blick auf unseren Kartenplotter zeigte uns gleich mehrere unter uns liegende Wracks. Waren das vielleicht alte Galeonen aus dem 17. Jahrhundert? Mit Fernglas und Peilkompass ausgerüstet beobachteten wir die vorgelagerten Inseln Lavezzi und Cavallo, welche zusammen mit zahlreichen Granitriffen zum französischen Archipel gehören, und suchten uns markante Landmarken für eine Ortsbestimmung nach alter Schule. Von hier bekamen wir auch einen wunderbaren Blick auf das nur fünf Seemeilen entfernte Sardinien, wir waren auf der Straße von Bonifacio.

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Auf des Königs Spuren: Ein schmaler Pfad führt auf die nach ihm benannte Treppe zu.

Im Jahre 1855 geschah an dieser Stelle das größte Schiffsunglück eines französischen Schiffes im Mittelmeer, als der Dreimaster Semillante unter Napoleon III mit 702 Mann Besatzung, darunter der Generalstab, die Straße von Bonifacio als Abkürzung wählte, zur Vermeidung des Umwegs um Sardinien. Durch Sturm, starken Nebel, sowie wahrscheinlich Verlust des Steuerrades zerschellte das Schiff am 15. Februar an den Riffen von Lavezzi. Fast alle sind bei diesem Unglück ertrunken und der Kommandant Jugnan konnte nur an seinen Insignien und einer Verformung eines Fußes identifiziert werden. Auf der Insel Lavezzi wurde zu Ehren der Schiffbrüchigen ein Denkmal errichtet, welches wir gerade der Reihe nach mit dem Fernglas beobachteten. Nachdem wir Lavezzi unter Segel passierten drehte der Wind von Süd-Ost auf nahezu West-Südwest, so dass ein Aufkreuzen nach Bonifacio zur Qual werden würde und wir uns entschlossen haben unter Maschine weiterzufahren.

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Eine perfekte Schatzhöhle unterhalb der Klippen von Bonifacio.

Der Blick auf die näher kommenden weißen Kreidefelsen und der darauf gebauten Stadt Bonifacio war atemberaubend. Die Häuser standen zum Teil vollständig auf dem überhängenden Teil der Klippen. Im Meer 80 Meter darunter lagen riesige abgespaltene Felsbrocken und zeigten eindrucksvoll, dass früher oder später auch mal ein Gebäude den Abgang machen wird. Wer immer dort wohnt, er wird jeden Tag leben als sei es der letzte. Da seht, die Treppe des Königs von Aragon! Thomas zeigte auf eine dunkle schräge Linie, die vom Meer bis hoch zur Stadt verlief, 187 Stufen scheinbar schnurgerade in Kalkstein gehauen. Eine Legende besagt, sie sei in einer einzigen Nacht von Truppen des Königs von Aragon nach der Belagerung von Bonifacio 1420 in den Felsen gehauen worden. Kurze Zeit später sahen wir den Meeresarm, welcher die einzige Zufahrt nach Bonifacio darstellt. Ein schmaler Durchgang mit hohen Felsen links und rechts sowie gigantische, in Stein gehauene Eisenringe zeugen von historischen Ereignissen, als die einzige Zufahrt zur Stadt noch stark verbarrikadiert werden konnte. Bonifacio galt als eine der schwersten einzunehmenden Städte von See aus. Hinter einem tiefen, fjordartigen Einschnitt landeinwärts und im Schutz der Felsen, die das Meer mitsamt seiner Brandung draußen lassen, lag der Hafen seelenruhig im unteren Teil der Stadt und Rainer legte uns schließlich souverän an die Pier.

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In den engen Gassen von Bonifacio kann es abends schaurig werden.

Nach Aufklaren des Schiffes zogen wir plündernd durch die Stadt. Die Treppe von Aragon war leider gesperrt, was uns jedoch nicht davon abhielt durch eine Lücke in der Absperrung zu kriechen und die Treppe dennoch zu benutzen. Die sechs Jahrhunderte alte Treppenbautechnik erforderte etwas Trittsicherheit und Kondition, dafür gab es die Belohnung in Form einer atemberaubenden Aussicht über das Meer und einer kleinen Schatzhöhle am Ende des Weges, jedenfalls sah sie danach aus und hätte perfekt in den nächsten Fluch der Karibik gepasst. Wir liefen weiter in der Hoffnung einen Aufstieg zurück zur Stadt zu finden, doch wir fanden nur eine verschlossene Eisentür nachdem wir 30 Minuten dem Weg nahe des Wassers folgten, also hieß es: Kehrt Marsch! Inzischen kam die Dämmerung auf und ich hatte mich Thomas, Herbert, Rainer und Björn angeschlossen. Wir spazierten noch ein wenig durch die Stadt, kehrten in ein gemütliches kleines Abendcafe ein und stiegen gegen 23 Uhr im Dunkeln zum noch immer ruhigen Hafen hinab. Ein wunderbarer Tag ging zu Ende und die vorerst letzte Nacht begann. Morgen sollte es zurück nach Elba gehen, eine Nachtfahrt mit Wachplan und eventuell wäre sogar Zeit für einen Abstecher nach Giglio um das Wrack der Costa Concordia zu besichtigen.

Sturm und Gischt
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Spurlos verschwunden? Nein! Alles ging gut, trotz Abschiedsfoto der Crew für die Nachwelt.

Der nächste Morgen war bewölkt, stürmisch und rau. Das Wasser im Hafenbecken bewegte sich verdächtig stark. Wenn ein dermaßen gut geschützter Hafen so viel Bewegung macht, wie soll es dann erst draußen auf dem Meer zugehen, und auf der Straße von Bonifacio? Sollten wir heute wirklich in See stechen? Die Schweizer auf der neben uns liegenden Yacht hatten beschlossen bis zum nächsten Morgen zu warten und auch sonst war kaum Bewegung unter den Seglern zu erkennen. Das aktuelle Seewetter wurde eingeholt und ich hörte nur Wortfetzen wie "rauhe See" und "sturmartige Böen bis 9 Beaufort", wahrscheinlich würden wir ebenfalls abwettern, dachte ich. Aber falsch gedacht! Kurz vor Mittag schlossen wir die Vorbereitungen zum Auslaufen ab und baten die Schweizer ein Mannschaftsfoto von uns auf der TOSCA zu machen, so ein Foto wie man es oft in Zeitungsberichten über verschollene Personen sieht, wo jeder noch ein letztes Mal gelacht hat.

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Wenn der Skipper das Ruder übernimmt: Diese Fahrt raus aus Bonifacio wird keiner mehr vergessen!

12 Uhr 15 machten wir die Leinen los. Eine große Fähre machte sich ebenfalls klar zum Ablegen, so dass wir uns beeilen mussten um noch vor der Fähre zum Meer zu gelangen. Der schmale Meeresarm zwischen Hafen und offener See war in Bewegung, er griff regelrecht nach uns. Der immer kräftiger werdende Sturm sorgte für brechende Wellen, die Wasseroberfläche wurde immer weißer, schäumendes Wasser und ein Getöse wie ich es nur aus Erzählungen kannte. Als wäre das nicht genug holte auch noch die Fähre beängstigend schnell auf. Thomas ließ den Motor unter Volllast laufen und hielt das Steuer fest auf Kurs während wir damit beschäftigt waren uns überhaupt irgendwo festzuhalten um nicht über Bord zu gehen. Kaum ließen wir den Meeresarm hinter uns überholte uns die Fähre und stampfte unaufhaltsam durch das Wasser während die Brecher am großen Rumpf zerbarsten. Hier draußen auf der Straße von Bonifacio war Platz für das Überholmanöver und hier bekamen wir das ganze Ausmaß des Sturms zu (und ins) Gesicht, waren mitten drin. Wir schätzten stellenweise bis zu 4 Meter zwischen Wellental und Wellenberg. Der Blick vom noch einmal zwei Meter höheren Schiffsdeck hinab in ein Wellental war beunruhigend. Teilweise schlug der Bug dermaßen hart auf das Wasser auf, dass 4 Meter hohe Fontänen über das Deck und damit über uns fegten, gerade in solch einer Situation ist jeder Schluck Salzwasser doppelt belastend.

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Nach dem Sturm: Die See ist immer noch rau, aber keine 9 Beaufort mehr!

Noch vor wenigen Wochen saßen wir gemütlich vor dem Lehrbuch und haben uns den Düseneffekt zwischen zwei Inseln (Korsika und Sardinien) anhand lustiger Bildchen erklären lassen und jetzt waren wir live dabei. Hier wurde uns das erste mal klar, weshalb so viele Menschen auf dem Wasser gläubig werden. Der Wind kam günstig von Steuerbord achtern und das brachte Thomas dazu die Genua ins erste Reff zu setzen. Kaum war die Genua gesetzt machten wir uns an das Großsegel heran, was bei diesem Sturm nicht gerade einfach war. Wir sicherten das Groß mittels sogenannten Bullenstander, welcher das unkontrollierte Umschlagen des Großbaums verhindert und führten gegen 13 Uhr eine Halse durch, die uns zu einer Geschwindigkeit von 12 Knoten verhalf. Normalerweise macht die TOSCA 8 Knoten bei gutem Wind, an diesem Tag erreichten wir sogar kurzzeitig 15 Knoten! Hinter Lavezzi hatten wir die Düse endlich hinter uns und je weiter wir auf das offene Meer segelten desto schwächer wurde der Sturm. Dennoch wehte weiterhin ein starker Wind mit kräftigen 6 bis 7 Beaufort und Böen bis 8 Beaufort der dafür sorgte, dass wir schon nach 19 Stunden Fahrt in Porto Azzurro auf Elba einlaufen sollten. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.

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Skipper entspannt, die Crew spurt!

Thomas hatte jederzeit alles unter Kontrolle was uns Vertrauen und Sicherheit gab. Vor allem das Auslaufen aus Bonifacio mit Böen von Sturmstärke hätten die meisten Skipper wohl vermieden. Doch gerade durch derartige Erlebnisse lernt man Dinge, die einem beim gemütlichen Segeln auf ruhiger See verborgen bleiben und das wurde uns auch eine Woche später von den beiden Prüfern bestätigt. Während der Überfahrt haben wir auf zeitraubende Übungsmanöver verzichtet, die Nachtfahrt stand an und wir mussten abends munter sein. Jeder war in zwei mal vier Wachstunden eingeteilt wobei man die ersten beiden Stunden jeweils für die Navigation verantwortlich war und die letzten beiden am Ruder verbrachte. Thomas, Herbert und Andre übernahmen, als die Erfahrenen unter uns, den Bereitschaftsdienst und durften im Zweifelsfall geweckt werden. Meine Wache ging von 18 bis 22 Uhr und 4 bis 8 Uhr, ich durfte also Sonnenuntergang und Sonnenaufgang erleben, das immer dunkler werdende Abendrot wurde dabei vom Aufgang des auf dem Meer riesig erscheinenden Vollmonds begleitet. Thomas hat sich anschließend zur Ruhe gelegt und uns die Verantwortung übertragen. Die Nachtfahrt war damit unsere erste kleine Prüfung, in der eigene Entscheidungen gefällt werden mussten.

Nachtwache
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Ein aufregender Tag geht zu Ende und die Nachtwache beginnt.

Meine erste Wache teilte ich zunächst mit Björn, der dann 20 Uhr von Rainer abgelöst wurde. Die Stimmen wurden ruhiger, das Wasser immer dunkler, irgendwann verschwand der letzte Sonnenstrahl am Horizont und läutete die Nacht ein. Die anderen sechs Männer lagen bereits in ihren Kojen, nur die eigenen Stimmen und das Brechen der Wellen am Rumpf waren jetzt noch zu hören und das war keinesfalls leise. Der Wind blies weiterhin kräftig von achtern und das regelmäßige Aufschlagen des Bugs auf das nächste Wellental erzeugte laute Schläge, so dass ich mich fragte ob die anderen überhaupt auch nur ein Auge zu bekommen können. Dann war es irgendwann 22 Uhr und Klaus löste mich ab, ich blieb noch wenige Minuten an Deck, machte mich anschließend bettfertig und sprang in meine kleine Koje, ich war müde! Die Krängung betrug weiterhin etwa 35 Grad. Da der Wind noch immer von Steuerbord achtern wehte und sich meine Koje auf Backbord befand lag meine linke Hälfte nicht auf der Matratze sondern an der Innenbordwand. Ich kann mir heute nicht mehr erklären wie ich damals einschlafen konnte: Mit jedem Schlag des Bugs auf das Wasser dröhnte der Rumpf, jede Welle war zu spüren und ließ die Bordwand vibrieren. Bei einem Notfall wäre ich der letzte gewesen, der an Deck kommt - im Schlafanzug! Aber da Skipper und Co-Skipper sich nicht rührten oder eingriffen ging ich davon aus, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht war es die immer wiederkehrende rhythmische Bewegung, ich schlief ein.

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Kurz vor Mitternacht: Zu sehen gab es nur entfernte Leuchtfeuer und Containerschiffe.

Autsch!! Wer schubst mich hier vom Bett? Niemand war da, ich hörte nur laute Stimmen an Deck und das Knarzen des Großbaums beim Umschlagen auf die andere Seite. Andre, Peter und Björn waren an Deck und führten eine Halse durch, die mich fast von der Bordwand auf den Kabinenboden geworfen hat. Kurze Zeit später klopfte es an meiner Kabine. Björn weckte mich zur Ablösung von Peter. Ich schlüpfte in meine Klamotten, verschlang schnell einen Mars-Riegel und machte mich auf dem Navigationstisch breit. Als ich das Logbuch aufschlug las ich die Einträge von meinen Wachvorgängern und folgende Phrase viel besonders auf: "Wer Thomas nicht kennt, hat das Segeln verpennt!", das triffts doch irgendwie recht gut! Es folgten zwei Stunden Navigation, wobei ich die meiste Zeit davon Positionsbestimmungen an Deck durchführte, gerade bei Nacht ist das besonders spannend. Was wohl die Lichter am Horizont bedeuten? Mit Hilfe von Kartenplotter und Peilkompass konnte ich die Lichter zuordnen. Meist waren es Leuchtfeuer, aber in dieser Nacht haben wir auch einen Frachter anhand seiner Positionslichter identifizieren können. Nebenbei maßen wir regelmäßig Temperatur und Luftdruck um über kurzfristige Wetteränderungen informiert zu sein. Eine angenehme, fast schon geheimnisvolle Ruhe lag inzwischen auf dem Meer. Der riesige Mond wanderte am Firmament entlang, die zahlreichen Sterne waren trotz Mondlicht klar zu erkennen, nur gelegentlich flüsterten wir miteinander, z.B. was uns auf die Idee brachte eine Skipper-Ausbildung zu machen oder wie verrückt Thomas sein muss, dass er uns durch solch einen Sturm jagt. Kurz vor 6 Uhr weckte ich Rainer, übergab ihm das Navigationsbesteck, schickte Björn in die Koje und übernahm seinen Platz am Ruder. Die Dämmerung brach langsam über uns ein und ein sonniger Tag erwachte, vom gestrigen Sturm war kaum mehr etwas zu spüren. Laut der nachts von Andre durchgeführten Wegpunktnavigation passierten wir zwei kleinere vor Elba liegende Inseln in sicherem Abstand. Kaum zu glauben, dass wir jetzt schon 18 Stunden ununterbrochen segelten, aber der nächste Hafen war nicht mehr weit, Porto Azzurro rückte immer näher und damit auch die verdiente Erholungsphase. Ich zitiere den Logbuch-Eintrag von Thomas:

„Der Wetterbericht hat nicht gelogen! Nachdem ich als Skipper befürchtete, wir könnten in eine Mistral-Lage geraten entschlossen wir uns zur Rückreise nach Elba. (Anmerkung: Der Abstecher nach Giglio fiel daher aus.) Dass dies ein heißer Ritt werden würde war den Segelerfahrenen klar. Bei 8 bis 9 Beaufort zwischen Bonifacio und Lavezzi und teilweise vier Meter Welle hatten wir einiges zu tun. Hinter Lavezzi wurde der Wind erwartungsgemäß geringer, wir hatten die Düse hinter uns und 6 bis 7 Beaufort mit Böen nahe 8 Beaufort. Trotzdem schafften wir eine Spitzengeschwindigkeit von 15 Knoten. Es war die schnellste Überfahrt nach Elba, die ich jemals hatte. 130 Seemeilen in 19 Stunden, davon nur 2,6 Seemeilen Unter Motor. Die Crew hat heute sehr viel gelernt, bald sind es alte Salzbuckel!“
Zurück auf Elba
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Der Kobra-Anker sicherte uns wenn kein Liegeplatz frei war.

Gegen 7 Uhr morgens legten wir in Porto Azzurro an, eine kleine wunderschöne Hafenstadt, umgeben von Hügeln und sehr gepflegt. Für einen Landgang waren wir zu müde, ins Bett legen wollte sich um diese Zeit aber auch keiner mehr, zumal es immer heißer wurde. Wir saßen alle entweder an Deck oder im Aufenthaltsraum unter Deck und beschäftigten uns mit allerlei Nebensachen: Zeitung lesen, Knoten üben, Tagträumen, Trinken, einige versuchten sogar für die eine Woche nach dem Törn anstehende Theorieprüfung zu lernen, was an diesem Morgen nur sehr zäh voran ging. Keine vier Stunden später, noch vor dem Mittag, entschloss sich Thomas ein Stück hinaus in eine kleine Bucht zu fahren und uns das Ankern beizubringen. Also wieder alle Mann auf Position und Leinen los. An einer flachen Stelle machten wir die unterschiedlichen Arten des Meeresbodens aus, je nachdem ob ein sandiger, steiniger oder verschlammter Untergrund vorhanden ist sind andere Ankerformen geeignet, für unseren Anker war ein sandiger Boden am besten geeignet. Hier ließen wir den Anker herab, gruben ihn über ein geeignetes Manöver in den Sand und führten eine Ankerpeilung durch um Positionsänderungen aufgrund Strömung, Gezeiten oder Losreißen des Ankers bemerken zu können. Es folgten einige Erklärungen vom Skipper und zwei Stunden später holten wir den Anker wieder ein, ein paar Übungsmanöver und schon ging es zurück in den Hafen wo eine unschöne Überraschung auf uns wartete.

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Bei diesem Anblick waren wir froh in den Hafen hinein und nicht hinaus zu fahren.

Blinkende und glitzernde Abzeichen und Orden wohin das Auge sieht, Lichtbrechungen en masse auf der piekfeinen Offiziersjacke. Optisch ließ der hier ansässige Hafenmeister jeden anderen Kapitän alt aussehen. Merkwürdige Gesten machte der gute Mann als wir noch mit dem Festmachen der Leinen beschäftigt waren. Ein Skipper von der neben uns liegenden Yacht diskutierte mit ihm, ein Schweizer wie sich später herausstellte, die Verständigung war wohl nicht so gut, auf jeden Fall waren die beiden unterschiedlicher Meinung. Berührt hat mich das alles nicht, sollen die ruhig diskutieren, die meisten von uns wollten sich endlich in der Capitainerie duschen und anschließend Porto Azzurro erkunden. Dennoch behielt dieser Ordenträger irgendwie unsere Aufmerksamkeit, denn in regelmäßigen Abständen zeigte er mit seinem von Abzeichen und Bändel verzierten Arm auf uns. Thomas wurde nervös und machte sich auf, die Ursache dieser Auseinandersetzung herauszufinden. Weitere von uns folgten ihm, doch leider konnte kaum einer richtig Italienisch. Das Problem war offensichtlich, dass wir hier nicht mit unserer Yacht liegen durften. Eine Begründung dafür haben wir bis heute nicht, wir waren als Segelschulschiff unerwünscht, und mit der italienischen Polizei legt man sich nicht freiwillig an. Enttäuschung machte sich breit: Nach der langen Überfahrt und dem heißen Tag hatte keiner mehr Energie bis zum nächsten Hafen zu segeln. Es half nichts, wir wurden verjagt, die geballte Kraft der glitzernden Orden hat auch uns in die Knie gezwungen. Erneut hieß es: Bereit zum Ablegen! Wir verließen den Hafen und machten weiter draußen an einer Boje fest, hier blieben wir über Nacht, ein Landgang war nicht mehr möglich, das schöne Porto Azzurro blieb uns verwehrt. Wir führten zur Sicherheit eine Ankerpeilung durch und stellten den Ankeralarm ein, der uns weckt sobald wir unsere Position ungewollt verändern. Schnell war Ruhe eingekehrt, ich saß noch mit ein paar von uns an Deck während die Nacht über uns hereinbrach, diesmal zumindest in der Nähe eines geschützten Hafens und nicht auf See bei 7 Beaufort.

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Mit dem Außenborder ging es zum Bäcker.

Montag, der 9. April 2012 kündigte sich mit seichten Wellen an. Der Wecker blieb heute aus. Andre und Thomas bereiteten das Dingi und den Außenborder vor, ihre Mission war das Herbeischaffen von frischen Baguette, Ciabatta und Brot! Als die beiden zurückkamen waren sie durchnässt, das Dingi lässt eben auch seichte Wellen an Bord, doch die beiden großen Tüten waren unversehrt und es folgte das ausgiebigste Frühstück der gesamten Reise. Das war auch nötig, denn jetzt kam der unangenehme Teil der zwei Wochen: Die intensive Vorbereitung auf die Prüfung. Gegen 11 Uhr 25 legten wir an der Boje ab. Bevor wir am Abend in Cavo einlaufen sollten lagen jedoch unzählige Manöver vor uns. Zunächst stand das Einreffen am Großsegel auf dem Plan, der geringe Wind an diesem Tag war ideal dafür, er machte das Herumlaufen auf dem Vorschiff deutlich einfacher. Später wird das nicht mehr so sein, denn gerefft wird nur wenn der Wind zu viel Angriffsfläche auf dem Segel hat, und das ist meist bei starkem Wind der Fall. Als dann der Wind endlich auffrischte wurden noch mehrmals in Folge Q-Wende und Mann-über-Bord-Manöver mit Halse geübt. Um 16 Uhr hieß es endlich: Auf nach Cavo! Eine finstere Wand erhob sich drohend am Horizont und alles sah nach einem kräftigen Unwetter aus, zum Glück waren wir nur etwa eine Seemeile entfernt als der Tag zur Nacht wurde. Die Ansteuerung erfolgte auf Sicht und bereits 17 Uhr 25 beendeten wir das Anlegemanöver auf Platz Nummer 17 mit zwei Mooringleinen, zwei Achterleinen und einer Kreuzleine.

Drill und Thrill
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Manöverkreis, Mann-über-Bord, Beidrehen, Halse, Q-Wende, Knotenkunde... es wurde ernst!

So ging das jetzt bis Freitag, den 13., weiter. Wir hatten bereits herausgefunden welchen Glückstag wir als Prüfungstermin bekommen haben, dazu der 100. Jahrestag des Untergangs der Titanic am 15. April 1912. Wir rechneten mit allem. Am nächsten Morgen verließen wir 9 Uhr 35 den Hafen in Cavo und trainierten alle Manöver bis zum Erbrechen, und diesmal war nicht die Seekrankheit schuld. Drei Tage waren noch Zeit um sicher im Umgang mit der TOSCA zu werden, die Manöver bei jedem Wind und Seegang durchzuführen, die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen zu kennen. Die Prüfer werden sich uns einzeln vorknöpfen, doch die Beurteilung ist bei weitem nicht nur von einem allein abhängig. Geprüft wird man als Team und wie gut man das Team unter Kontrolle hat, ob die Befehle klar und deutlich zur rechten Zeit erfolgen und wie gut bei Fehlern reagiert wird. Thomas und Herbert dürfen uns als Skipper und Co-Skipper nicht zur Seite stehen, wir werden auf uns allein gestellt sein. Doch jetzt war erst einmal Dienstag und als wir den Stadthafen in Portoferraio passierten bot uns Thomas an die Yacht für den Rest des Tages zu verlassen und die Stadt zu erkunden. Es war ein Kampf mit meinem Gewissen ob ich mir die Auszeit vor der Prüfung leisten könne, aber Björn, Herbert und ich machten von dem Angebot Gebrauch, wir gönnten uns den verdienten Landgang. Thomas steuerte rückwärts eine Mauer an und während er schon wieder auf Vorschub ging um nicht zu nah mit dem Propeller an die Mauer zu kommen sprangen wir drei der Reihe nach an Land. Der Rest blieb an Bord, trainierte weiter bis zum Abend und nahm dann Kurs auf die Edil Nautica, dem Startpunkt unseres Segeltörns. Wir drei Landgänger würden später zu Fuß zum Liegeplatz laufen, doch bis dahin blieb uns ein halber Tag Zeit um die Stadt anzuschauen und zu entspannen.

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Blick von der Winterresidenz Napoleons auf die Bucht von Portoferraio.

Ich lief zunächst mit Björn Richtung Hafenviertel um etwas Essen zu gehen. Typisch italienisch gab es Pasta mit irgendeiner Soße in einem schmuddeligen Kleinrestaurant. Anschließend trennten wir uns recht schnell und jeder ging seinen eigenen Weg, jeder wollte endlich wieder einmal für sich sein. Fast zwei Wochen mit sieben zu Beginn unbekannten Menschen auf engstem Raum zu verbringen, da ist nicht mehr viel mit Privatsphäre. Nachdem ich das Zentrum hinter mir ließ machte ich mich auf Richtung Westen zur Winterresidenz von Napoleon, dem Palast Villa Mulini. Die Stadt wurde auf einer großen Schräge erbaut und so verlief der Weg steil bergauf bis zum Palasttor und weiter zum höchsten Punkt der Stadt. Oben angekommen öffnete sich mir ein wunderbarer Blick über die gesamte Stadt und die Berge der Insel. Auf der anderen Seite fiel das Gelände stark bergab bis zum Meer und ich sah den Leuchtturm von Portoferraio sowie die kleine unbewohnte Insel Scoglietto, welche von schwedischen Seefahrern entdeckt wurde und ihren Namen dem skandinavischen Trinkspruch Skål zu verdanken hat. Leuchtturm und Insel waren die am besten zu erkennenden Landmarken nach denen in der Prüfung die Position bestimmt werden sollte. Hier in der Bucht vor Portoferraio sollten wir drei Tage später zum Skipper geprüft werden. Weitere wichtige Landmarken, nach denen navigiert werden musste, waren die Villa Foresi, die Villa Ottone, der Monte Capanne und die Burg Volterraio - alles Namen, die wir nicht mehr so schnell vergessen werden. Unterwegs traf ich Herbert, der bereits auf dem Palastgelände war. Wir wechselten kurz ein paar Worte und trennten uns wieder, ich wollte noch ein paar Minuten die frische Luft hier oben atmen. Als der späte Nachmittag nahte schlenderte ich zurück ins Zentrum und suchte die Strandpromenade auf. Diese befand sich auf der anderen Seite der Stadt, etwas abgelegen nahe einer Palmenallee und mit einem hervorragenden Blick auf das Meer. Hier ließ ich noch ein Stündchen die Seele baumeln und drehte anschließend um Richtung Edil Nautica, wo ich als letzter von uns drei Landgängern eintraf. Es war ein merkwürdiges Gefühl wieder im Heimathafen anzukommen, unsere Autos wieder zu sehen, Erinnerungen an ein Leben vor dem Törn kamen auf. Dieser Nachmittag war absolut notwendig gewesen, der nächste Tag würde anstrengend werden.

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GPS-Records: Kreuz und quer über Grund.

Ausschlafen war heute problemlos möglich, als wir dann aber 12 Uhr 30 ausliefen fing der Stress an. Wir bekamen ein volles Trainingsprogramm, alle Übungen kreuz und quer sowie Theorieeinheiten dazwischen. Wir vertieften das Beidrehen und den Manöverkreis, eine Abfolge von allen bisher gelernten Manövern. Jede Übung wurde etliche Male wiederholt, so dass wir uns schon fragten, ob Thomas nicht etwas übertreibt. Wir hatten alles soweit verstanden, doch in der Praxis kam es immer wieder zu kleinen Fehlern, die Thomas mit unzähligen Wiederholungen minimieren wollte. Sein Ziel war klar: Alle durch die Prüfung bringen, ohne Ausnahme! In den Pausen gab es Mars, Twix und Wasser und gleich darauf ging es weiter. Am Ende des Tages hatten wir alle Manöver mindestens zweimal in jeder Position ausgeführt und 18 Uhr 10 waren wir laut Logbuch zurück im Hafen. Thomas war im Großen und Ganzen zufrieden und so saßen wir noch eine Weile an Deck, aßen Abendbrot und tranken Bier und Wein.

Donnerstag, der 12. April 2012, der Tag vor der Prüfung, viel stand daher heute nicht auf der Tagesordnung. Um 9 Uhr 30 machten wir das Schiff seeklar, füllten die Dieseltanks an der Tankstelle auf und segelten bei einem lauen Lüftchen von der Edil Nautica zum Stadthafen von Portoferraio. Hier mussten wir erneut einen merkwürdigen Hafenmeister überleben, der uns mit fragwürdigen Gesten etwas mitteilen wollte. Vielleicht wie wir am besten anlegen sollten? Wir hörten auf Thomas und beendeten das Anlegemanöver zur Zufriedenheit unseres Skippers. Als wir die Gangway vorbereiteten wurde der Hafenmeister langsam unbequem und wir fragten uns, was er wohl hat. Ein paar von uns verstanden wenige Silben Italienisch, das Wort Polizei kam darin auch vor, und so machten wir die Leinen wieder los und legten an einer anderen Stelle an. Wahrscheinlich fühlte sich dieser Hafenmeister auf den Schlips getreten. Es gibt schon merkwürdige Personen auf dieser Insel, ganz im Gegensatz zu Korsika, wo wir immer freundlich empfangen worden.

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Die Ruhe vor der Prüfung: Ein letzter Blick auf Scoglietto am Strand von Portoferraio.

Nachmittags gegen 15 Uhr waren wir fertig und durften erneut die Stadt erkunden. Die interessantesten Plätze hatte ich bereits während meines Landgangs vor zwei Tagen besucht, also stattete ich dem Strand einen weiteren Besuch ab, setzte mich auf die Kaimauer und ging innerlich noch einmal die bevorstehende Prüfung durch. Jeder von uns bereitete sich darauf vor und jeder fand seinen eigenen Platz bis wir uns abends wieder auf der TOSCA einfanden. Dieser Abend sollte ausgiebig gelebt werden, daher bereiteten Björn und Rainer ein Festmahl vor, inklusive Vor- und Nachspeise. Hat man unsere Bordküche gesehen, dann weiß man wie aufwändig ein solches 3-Gänge-Menü für acht Männer ist, und man staunt, was in solch einer kleinen Küche möglich ist. Nach dem Festmahl saßen wir eine Weile beisammen und Thomas zeigte mir noch einige Kniffe zu den Seemannsknoten, zum Glück würde ich morgen sagen! Wenig später ließ ich mich überreden mit Andre, Rainer und Thomas noch was Trinken zu gehen. Es war gerade kurz nach 22 Uhr und der Abend noch jung als wir durch ein paar enge Gassen liefen und in einem kleinen Pub Halt machten. An diesem Abend war kein Konzert vorgesehen, so dass wir alle Platz fanden und den Tag Revue passieren ließen. Etwa 23 Uhr 30 machten wir uns auf den Heimweg, in zwölf Stunden sollten wir fällig sein.

Die Prüfung
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Arrivederci! Auf der Fahrt vom Stadthafen zum Prüfungsrevier draußen auf dem Meer.

Es war soweit! Freitag, der 13. weckte uns. Oder war es doch das Getöse im Mannschaftsraum? Die Stimmen hielten sich dezent im Hintergrund, das Frühstück war ruhig, kaum einer redete. Thomas war fast aufgeregter als wir, als Skipper wollte er natürlich, dass jeder von uns durchkommt. Kurz nach 9 Uhr verschwand er Richtung Capitainerie zur Skipper-Vorbesprechung aller teilnehmenden Yachten. Schon am Vortag fiel uns die hohe Anzahl an Ausbildungsyachten in der Bucht von Portoferraio auf. Viele trainierten die Manöver und so kam es zu richtigem Verkehr in dieser Bucht, wo wir das erste Mal intensiv die Kollisionsverhütungsregeln (KVR) auf See anwenden mussten. Diese schreiben vor, wie Wasserfahrzeuge untereinander auszuweichen haben, wenn sie einander so begegnen, dass ein Zusammenstoß nicht ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich haben Fahrzeuge, die aufgrund ihres gegenwärtig verwendeten Antriebs schlechter manövrieren können, Vorrang. Kreuzen sich die Kurse zweier Motorboote, weicht dasjenige aus, das das andere an Steuerbord (rechts) hat. Bei Segelfahrzeugen wird es dann komplizierter: Wenn beide den Wind von verschiedenen Seiten haben, muss das Fahrzeug mit Wind von Backbord (links) ausweichen. Haben beide den Wind von derselben Seite, so muss das luvwärtige Fahrzeug (das, welches näher in der Richtung aus der der Wind kommt, steht) ausweichen. Bei uns lief alles gut und drohende Zusammenstöße konnten rechtzeitig vermieden werden. Wir warteten ein bis zwei Stunden bis wir Thomas zurückkommen sahen. Seine Miene war leicht angespannt, größere Probleme schien es aber nicht gegeben zu haben. Die beiden Prüfer vom Deutschen Segler-Verband (DSV) waren seiner Meinung nach okay. Wir machten die TOSCA ein letztes mal seeklar, holten Leinen und Fender an Bord und navigierten hinaus in die Bucht. Hier fuhren wir ein wenig hin und her, ließen uns treiben und beobachteten die vielen anderen Yachten auf denen irgendwo die Prüfer an Bord sein mussten. Gesprochen haben wir in dieser Phase wenig, die Anspannung war allgegenwärtig. Sie kommen!, hieß es. Thomas übernahm das Andockmanöver an die unbekannte Segelyacht, dessen Besatzung die Prüfung gerade hinter sich hatte, die beiden Prüfer sollten nicht schon jetzt als Fischfutter enden.

Alle bestanden!, waren die ersten Worte, die sie uns noch vorm Sprung auf unser Schiff zuriefen. Mir waren die beiden zunächst nicht ganz geheuer. Der eine redete kaum ein Wort, hatte extrem wettergegerbte Hände aus Lederhaut und einen scharfen Wieselblick, dem wohl nichts entgeht. Er war ein ehemaliger Kapitän und musste bereits einiges auf See erlebt haben. Der andere war groß gewachsen, schien sehr gebildet zu sein und strahlte eine starke innere Ruhe aus. Es handelte sich um einen Astrophysiker, der mir sofort sympathisch war. Leider verschwand er relativ schnell unter Deck und studierte das Logbuch um sich ein Bild von unseren Erlebnissen machen zu können. Dabei hat er versehentlich Herbert aufgeweckt, der sich dort ein Nickerchen gönnte, beide haben nicht schlecht gestaunt. An Deck wurde es derweil ernst, Thomas nahm seinen Platz neben dem Rudergänger ein um im Notfall eingreifen zu können, die Prüfung wäre dann natürlich nicht bestanden. Ich weiß nicht mehr wer zuerst geprüft wurde, aber nachdem wir die Segel setzten, was als erste gemeinsame Aufgabe gewertet wurde, nahm ich einen Platz zur Bedienung des Vorsegels neben der Steuerbord-Winsch ein. Jeder war konzentriert um sofort auf die Kommandos des Rudergängers reagieren zu können, und das war an diesem Tag kein Problem, denn es wehte fast kein Wind, 1 bis 2 Beaufort schätzte ich. Wir waren es gewohnt die TOSCA bei starkem Wind stabil zu halten, auch 9 Beaufort haben uns nicht abgeschreckt, und jetzt sollten wir die Prüfung bei fast keinem Wind bestehen. Vor allem die Bestimmung der Windrichtung oben am Verklicker ist schwierig, wenn der Fahrtwind einen stärkeren Einfluss ausübt als der wahre Wind. In solchen Situationen schätzt man die Windrichtung besser anhand der Wellenstruktur. Zu Beginn der Ausbildung ist mir vor allem die Orientierung auf dem Meer schwer gefallen. Fährt man eine 90 Grad Kurve sieht der Horizont meist nicht viel anders aus als vorher, also bin ich fast immer nur nach Kompass gefahren ohne das Horizontgeschehen zu berücksichtigen. Doch mit der Zeit prägt man sich Wolkenbild, Wellenstruktur und eventuell vorhandene Landformationen ein. Das hat uns jetzt sehr geholfen und der erste von uns am Ruder absolvierte den Manöverkreis zur Zufriedenheit des Prüfers mit dem Wieselblick.

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Frisch gebackene Skipper: Mannschaftsfoto nach bestandener Prüfung.

Diejenigen von uns, die für die Segelbedienung nicht benötigt wurden, mussten Fragen zu Technik oder Wetterkunde beantworten, Notfallsituationen erklären oder Seemannsknoten vorzeigen. Als ich an der Reihe war spürte ich das Adrenalin hochschnellen. Ich nahm meinen Platz am Ruder neben Thomas ein und steuerte die vom Prüfer vorgegebenen Kurse, das Wissen über die Landmarken auf Elba war dafür unabdingbar. Es folgte das obligatorische Mann-über-Bord-Manöver, welches ich über eine Halse klärte. Die Gefahr bei wenig Wind ist, dass man zeitkritische Kommandos wie "Schoten los" zu früh gibt und das Manöver im ungünstigen Fall abgebrochen werden muss, denn es geht alles viel langsamer vonstatten, wir waren dagegen stärkere Winde von unserer Überfahrt gewohnt. Es klappte aber alles und meine Kameraden waren wachsam, das Manöver schloss ich ohne Korrektur oder Wiederholung ab und ich übergab das Ruder dem nächsten von uns. Gegen Ende der Prüfung schaute mich der mit dem Wieselblick an und ich sollte noch schnell einen Palstek vorführen, was eigentlich kein Problem sein sollte. Irgendwie habe ich mich aber verheddert und ich musste den Knoten wiederholen. Ich glaube das war einer der Momente, wo Thomas am meisten gezittert hat, der zweite Versuch hat aber gesessen und der Wieselblick wandte sich von mir ab. Als der Astrophysiker zurück an Deck kam hieß es:

„Gratulation an alle! Jeder von euch hat bestanden und bewiesen, dass er eine Segelyacht unter Kontrolle halten und auf seine Kameraden zählen kann. Nach dem was ihr laut Logbuch erlebt habt, kann diese Prüfung kein Problem gewesen sein, und das haben wir heute gemerkt. Passt auch in Zukunft auf, und jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Jederzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!“
Ende gut, alles gut
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Ein echtes Mann-über-Bord wollte Andre sich nicht nehmen lassen.

Thomas hatte bereits das Andockmanöver der nächsten Segelyacht koordiniert. Ein kurzer, stiller Moment und die beiden Prüfer vom DSV waren wieder verschwunden. Schnell machten wir ein abschließendes Gruppenfoto und wie, als wäre eine große Last von uns genommen, ließen wir uns an Deck fallen und lagen einfach nur herum. Erleichterung machte sich breit. Rainer war an der Heckreling eingenickt, Andre und Björn lagen auf dem Vorschiff und ich saß neben der Backbord-Winsch. Klar machen zur Wende! Jetzt wollten wir noch eine kleine Runde drehen bevor wir unsere TOSCA zurückgeben mussten. Wir klapperten die Bucht von Portoferraio ab und wagten uns diesmal näher an das verlassenes Ufer heran. Wir wollten die TOSCA noch einmal auf Geschwindigkeit bringen, aber viel war bei diesem Wind nicht möglich. Auf einmal holte Peter seine Automatikweste und schlug vor, wenigstens einmal ein richtiges Mann-über-Bord-Manöver zu fahren, mit Menschen im Wasser. Thomas stimmte zu und Andre meldete sich freiwillig für ein Bad im Mittelmeer, welches Anfang April noch recht kühl war. Allerdings führte Thomas das Manöver selbst durch und kommandierte lautstark die Besatzung, wie in einem echten Notfall. Trotz abgelaufenem TÜV auf der Automatikweste öffnete sie sich nach wenigen Sekunden und bewegte Andre in eine Position in der er nicht mehr viel Kontrolle im Wasser besaß und Schwierigkeiten hatte, die Rettungsleine zu fassen. Drei Leute an der Winsch waren notwendig um Andre aus dem Wasser zu bekommen, Klaus hatte den gesamten Vorgang gefilmt. Anschließend dümpelten wir noch eine Weile dahin und nahmen Kurs auf die Edil Nautica, die Endreinigung der Yacht stand bevor. Zwei Wochen mit acht Männern, das hat Spuren hinterlassen. Am Abend fuhren wir alle zusammen in die Stadt und ließen uns in einem Restaurant nieder. Das Abschiedsessen stand unmittelbar bevor, ein erfolgreicher Tag ging zu Ende! Anbei der Logbuch-Eintrag von Thomas am 13. April 2012:

„Prüfungstag: Unser Schiff ist um 11 Uhr 15 dran. Gespannt warten wir bis auf Kanal 72 die Nachricht der Prüfer eintrifft wo wir sie an Bord nehmen können. Das aufgeregteste Crew-Mitglied bin wohl ich als Skipper. Die Prüfer sind jedoch ungemein freundlich und beruhigen mich schon bald durch den Austausch von Seemannsgarn. So bekomme ich nur nebenbei mit, wie die Prüfung beendet ist und alle bestanden haben. Was für ein Tag!“

Am nächsten Morgen traten wir die Heimreise an. 12 Stunden Autofahrt und Stau vorm Gotthardtunnel, der Alltag kehrte wieder. Es war ein einzigartiges Erlebnis und etwas vollständig Neues für mich. Wann werde ich erstmals als Skipper auf einer Yacht tätig sein? Wann werde ich Korsika wiedersehen? Das stand für mich definitiv fest. Die Korsaren habe ich lieb gewonnen und die Idee zum GR-20 war geboren als ich ihn noch nicht einmal kannte.