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Auf dem West Highland Way

Reisebericht
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Ohne Eis und Geröll

Wer hat schon vom West Highland Way gehört? Dabei handelt es sich um den mit 154 Kilometer längsten Fernwanderweg Schottlands und vielleicht sogar um den Schönsten mit dem größten Spektrum an schottischer Natur - wenn das Wetter mitspielt, doch dazu später mehr. Nach unserer schief gelaufenen Tour durch das Dovrefjell-Sunndalsfjella-Gebirge (Norwegen) im letzten Jahr wollten wir dieses Jahr mehr das Wandern anstatt das Klettern über Geröll und Eisfelder in den Vordergrund stellen. Der West Highland Way erstreckt sich von Milngavie im Norden Glasgows entlang des östlichen Ufers von Loch Lomond, Schottlands größtem Süßwassersee. Begleitet von einem strömenden Fluß führt der Weg weiter ins Glen Falloch, über das Rannoch Moor, dem größten Moorgebiet Schottlands, durch Glen Coe, einem riesigen Tal durch die nördlichen Highlands und zu guter Letzt bis Fort William und damit an den Fuß des Ben Nevis, Großbritanniens größtem Berg. Auf unserer Tour können wir also alles bekommen was eine vernünftige Mehrtageswanderung ausmacht. Als Ziel setzten wir uns ein Limit von 7 Tagen damit am Ende noch etwas Zeit in Fort William über bleibt und wir vielleicht noch den Ben Nevis besteigen können.

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Startpunkt: Monument des West Highland Way in Milngavie.

Die Anreise verlief dieses mal ohne Probleme, wenn auch etwas stressig, da unser Flug über Southampton ging und wir trotz gleichem Flieger die gesamte Check-In Prozedur erneut über uns ergehen lassen mussten. Nichtsdestotrotz war es mal ein anderes Erlebnis mit einer Propellermaschine der Airline Flybe zu fliegen. Aufgrund der Greenwichzeit kamen wir bereits 22:15 Uhr in Glasgow an - bei strömendem Regen haben wir noch gescherzt ob es für eine adäquate Schottlandtour nicht die ganze Woche so bleiben könnte... nun ja, wir wurden nicht enttäuscht. Der überaus gesellige Barkeeper im Pub unserer Unterkunft in Glasgow hat uns gleich mit unzähligen Wetterprognosen und -grafiken überhäuft als er in Erfahrung brachte wer wir sind und wohin es gehen soll. Auch nach mehrmaligem Nachforschen kam er immer zu dem gleichen Ergebnis - die gesamte Woche Regen! Von dem Ende der Woche auf die schottische Küste treffenden Hurrikan Katia wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nichts.

Stempel und Whisky

Am nächsten Morgen ging es nach einem überaus kalorienreichen englischen Frühstück auch schon los Richtung Milngavie. Im Zentrum von Milngavie befindet sich das Monument des West Highland Way, dem eigentlichen Startpunkt der Tour mit dem Emblem einer stilisierten Distel - der schottischen Nationalblume. Hier wurden wir gleich erst einmal abgefangen von einem Mitarbeiter des Touristenbüros, dabei wollten wir nur endlich unsere Tour in die schottischen Highlands starten, weg von dem ganzen Trubel der Stadt. Doch dieser Touristenjäger hat uns nach 40 Minuten Smalltalk erfolgreich eine Stempelkarte angedreht, welche es an allen 14 Etappen des West Highland Way abzustempeln galt. Was eigentlich als Spaß gedacht war, als ein Nice-to-have, hat schon nach kurzer Zeit den Ehrgeiz in uns geweckt und wurde schnell zu einem Must-have, das uns nach manch anstrengendem Tag noch ein paar Kilometer extra aufgedrückt hat, was tut man nicht alles für die zukünftige eigene Erinnerung, aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach dem obligatorischen Fotoshooting zusammen mit dem Monument haben wir uns endlich vom Stadtzentrum Milngavie losreißen können und nach wenigen Kilometern waren wir bereits mitten in den Lowlands.

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Glengoyne Distillery: Nicht geplante Whisky-Probe schon am ersten Wandertag.

Auf dem Weg nach Drymen, unserem Ziel der ersten Tagesetappe, haben wir einen Abstecher in die Glengoyne Distillery gewagt. Nach einer ersten Kostprobe hat Marcel auch schon zugeschlagen und sich eine kleine Flasche Single Malt geleistet, welche später noch wärmende Dienste zu verrichten hatte. Entgegen der grauen Wetterprognosen vom Abend zuvor war dieser Tag wohl der wärmste von allen, die Sonne schien und wir dachten tatsächlich es würde die ganzen Tage so bleiben, und der Barkeeper uns nur einen Schrecken einjagen wollte. Am Abend erreichten wir Drymen und es fing an mit Tröpfeln, aber auch wegen Ermangelung eines geeigneten Zeltplatzes entschieden wir uns hier für ein B&B. Ein altes Ehepaar empfing uns freundlich und schon war das typische B&B-Feeling da, wenn mit interessanten Geschichten über das gesprochen wird was einen verbindet. In Drymen besuchten wir abends noch das älteste Pub Schottlands, das Clachan, welches bereits seit 1734 eine Lizenz zum Whisky ausschenken besitzt und damit auch schon Rob Roy theoretisch hätte einschenken können.

Das Tor in die Highlands
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Conic Hill: Ein kleiner garstiger Erdhügel markiert die Grenze zu den Highlands.

In der kommenden Nacht hatte es stark geregnet und gestürmt, doch eine schottische Bauernregel besagt, dass der nächste Tag schön wird wenn es die gesamte Nacht durch regnet. Der erste Blick aus dem Fenster nach der Morgendämmerung war erfreulich, der zweite nach dem Frühstück hingegen nicht mehr, so dass wir gleich unseren Regenschutz anzogen und gegen 10 Uhr auf nach Balmaha und Rowardennan starteten. Die größte Herausforderung dieses Tages war der Conic Hill, ein nur 360 Meter hoher Hügel, eigentlich nicht der Rede wert, im Schwarzwald bewegt man sich schließlich auch problemlos von 200 auf bis zu 1500 Meter. Aber die Highlands sind eben anders. Hier können bereits ab 700 Meter alpine Verhältnisse herrschen und reißende Sturzbäche entstehen. Doch das war auf dem Conic Hill noch nicht mal nötig um uns eine Menge Respekt vor dem schottischen Wetter zu bescheren. Ein kräftiger Sturm mit Windgeschwindigkeiten von über 100 Km/h bei starkem Regen reichte aus um uns beinahe vom Conic Hill zu fegen. Die größere Angriffsfläche durch den Rucksack machte es dem Wind einfach uns aus dem Gleichgewicht zu bringen, so dass wir immer wieder unsere Stöcke in den Boden rammen mussten bis die Böe abschwächte. Das Gesicht konnte nur schwer im Wind gehalten werden, denn peitschend knallte der Regen auf uns ein, wie viele kleine Nadelstiche. Insgesamt war das ein verdammt rauher Tag direkt am Übergang der Lowlands in die Highlands.

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Sauwetter: Vom Sonnenschein des ersten Tages war nicht mehr viel übrig.

Der Abstieg erfolgte in den vom Regen gebildeten Stromschnellen, nur dort hatten wir aufgrund des steinigen Untergrunds genügend Halt. Diverse Schlammrutschpartien konnten wir dennoch nicht vermeiden aber wir wurden entschädigt: Kaum wieder unterhalb von 200 Meter Höhe machten wir die weiten Landschaften von Loch Lomond aus, ein See der bis an den Horizont reicht, wenn auch dieser wegen der nebligen Luft etwas eingeschränkt war. Wieder unten auf Meeresspiegelniveau wanderten wir durch das vom Loch Lomond geprägte Fischerdörfchen Balmaha und nahmen gleich die nächste Etappe nach Rowardennan in Angriff. Für den restlichen Weg an diesem Tag wurden wir immer wieder von Schauern und kurzen Sonnenstrahlen begleitet, es ließ sich aber problemlos laufen. Ein atemberaubender Blick wurde vom nächsten gejagt und insgesamt können die drei Tage entlang des Loch Lomond als die landschaftlich idyllischsten festgehalten werden. Wie idyllisch auch immer, am Ende des Tages waren wir das erste mal richtig durchnässt und an eine Nacht im Zelt war nicht mehr zu denken, zumindest nicht wenn es Alternativen gab. Nur sehr schwer hätten wir unsere Sachen bis zum nächsten Tag trocken genug bekommen, welcher sich als der mit Abstand anspruchsvollste des gesamten West Highland Way herausgestellt hat. In unserer Hütte waren wir den ganzen Abend mit dem Trocknen unserer Ausrüstung beschäftigt.

Auf den Spuren von Rob Roy
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Loch Lomond: Blick von den Steilhängen hinab ins Loch kurz vor Regeneinbruch.

Am nächsten Morgen haben wir erstmals Bekanntschaft mit zwei sympathischen Reisenden aus England und den USA gemacht, die wir auf der Tour noch mehrmals zu Gesicht bekommen sollten. Doch zunächst lag ein neuer Tag des Wanderns vor uns, so dass wir uns gleich auf den Weg nach Inversnaid gemacht haben. Auch dieser Tag war vom Wetter her typisch schottisch, d.h. alle möglichen Wettervariationen bildeten sich an einem Tag. Auf die goldene Regel einfach ständig die Regenkleidung anzulassen kamen wir leider erst später, denn immer sobald diese ausgezogen war begann es zu Regnen. Der folgende Pfad verzweigte sich bereits früh und wir mussten uns entscheiden ob wir den Höhenweg laufen wollten oder direkt am Ufer des Loch Lomond vorbei an Rob Roys Gefängnis. Natürlich entschieden wir uns für Rob Roy, den Robin Hood Schottlands, außerdem sollte dieser ufernahe Weg für Wanderer mit schwerem Gepäck geeigneter sein - meinte Marcel. Unsere Entscheidung führte uns einen stark morastigen Trampelpfad entlang. Mal direkt am Wasser, ein anderes mal über leicht erhöhte Klippen und größtenteils durch einen dicht bewachsenen Wald voller Schlamm und Gestrüpp und versehen mit unzähligen kleinen und auch einigen größeren Hindernissen.

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Tief im Wald verborgen: Hier versteckte sich Rob Roy vor dem Duke of Montrose.

Die wohl kritischste Stelle war allerdings eine kurze, heikle Kletterpartie. Wohl war uns dabei nicht als es auf einmal hieß ein Stück des fehlenden Pfades am Fels entlang klettern zu müssen und dabei einen Sturz ins Loch Lomond zu riskieren. Doch zum Umkehren war es zu spät, zu viele knifflige Stellen lagen bereits hinter uns, so dass es hieß: Augen zu und durch! Nach dieser Aktion fanden wir zwei Gräber im Dickicht, welche zu Menschen gehörten, die weniger Glück an dieser Stelle hatten - Mut hat uns das nicht gerade gemacht. Rob Roys Gefängnis war wenig spektakulär von ein paar verfallenen Mauern im dichten Wald umgeben, die Stimmung war jedoch einmalig mystisch an diesem Ort fernab der Küste an dem Rob Roy seine Gefangenen versteckt gehalten und damit mehrere Adlige erpresst hat. Wir erreichten Inversnaid am späten Nachmittag des dritten Tages und auch hier haben wir unseren Stempel pflichtbewusst beim Barkeeper abgeholt. Das Buch füllte sich langsam und er warnte uns noch vor der kommenden Etappe, welche schwieriger sein sollte als die heutige. Da wir uns das kaum vorstellen konnten schauten wir noch einmal in unseren Trekkingführer ob das wirklich sein kann. Ich staunte nicht schlecht, dass im Trekkingführer auf einmal vom Höhenweg die Rede war, welcher der für schweres Gepäck geeignetere sein sollte - vom ufernahen Weg wurde dringend abgeraten und gewarnt es seien immer wieder Wanderer an dieser kleinen Kletterstelle ins Loch Lomond gestürzt, gerade bei Regen und mit schwerem Gepäck... ein mulmiges Gefühl kam in uns auf, schwierig zu beschreiben, das Risiko lag auch bereits hinter uns und dennoch... haben wir in Zukunft genauer gelesen.

Das Bunkhouse
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Im Bunkhouse: Hier kocht der Wirt, der abends zum Folk-Rock-Gitarrist mutiert.

In dieser Nacht haben wir in einer alten Kirche übernachtet die zu einem Bunkhouse umgebaut wurde. Dabei handelt es sich um ein Hostel welches früher als Arbeiterunterkunft seinen Dienst verrichtete. Im Dachgeschoss fand sich eine gemütliche Bar mit Wohnbereich und Couch, hier gab es das beste (und schärfste) Chili con Carne das mir jemals untergekommen ist. Unzählige Gitarren von der klassischen Western bis zur modernen Stratocaster lagen in einer Ecke herum und ich fragte mich noch wem diese wohl gehören bis unser mit Dreadlocks behangener Koch am späten Abend ein paar alte Klassiker auf einer Western zum Besten gab. Dieser Abend wurde durch die einmalige Stimmung des Zusammenseins von Backpackern geprägt, die alle den selben Weg teilten, das gleiche Ziel - Fort William - verfolgten, Erfahrungen wurden diskutiert und ausgetauscht. Unser Zimmer haben wir mit Constantine (Lettland) sowie zwei älteren Engländern geteilt, die sich später als sehr unterhaltsame Begleiter und Abenteurer herausstellten. Einer von ihnen war der Bassist der Lights, einer Rockband aus England.

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Ein echtes Highland Pub: Das Rod And Reel in Crianlarich.

Tag Nummer 4 begann schon recht früh, denn 25 Kilometer in eher schwierigem Gelände standen uns bevor. Gleich nach einem abermals umfangreichen Frühstück - inzwischen hatten wir uns an die englische Variante gewöhnt, ja sogar lieb gewonnen - ging es auch schon los über Inverarnan nach Crianlarich. Als Special Service hat uns der Koch mit seinem Geländewagen zurück zur Küste gebracht. Die nun vor uns liegende Etappe war zwar einfacher zu begehen als die Rob Roy Route vom Vortag, dennoch galt der Weg bis nach Inverarnan als einer der anspruchsvolleren. Der Pfad führte hinauf zu den Klippen, der Steilküste des Loch Lomond, und auch an diesem Tag gab es zahlreiche kleine Klettereinlagen direkt am Abgrund, allerdings ohne den Adrenalin fördernden Nervenkitzel vom Vortag, und es war unser letzter Tag am größten See Schottlands, an dem wir den langen Ausläufern des Loch Lomond folgten bis hinein in die dichten Wälder der Highlands zu dem Dorf Crianlarich, in dem wir übernachteten. Der Besuch des gemütlichen Rod And Reel Pub am Abend gab uns die Möglichkeit endlich einmal einem absoluten Original an schottischer Lebensart zu begegnen. Mit Ledertasche vor dem Kilt, Geweihstock, Jagdhund, Schottenhut und einem Whisky in der Hand... sogar die Stimme klang wie 30 Jahre geraucht und vom Whisky durchsetzt.

Bridge of Orchy
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Wegelagerer: Schottische Hochlandrinder der Kirkton Farm kreuzen unseren Weg.

Am folgenden Tag kam wieder mal die Sonne heraus, wenn auch nur für kurze Zeit. Morgens liefen wir die ersten 5 Kilometer zusammen mit den beiden Engländern welche wir in Inversnaid kennengelernt hatten und die eine kleine Optimierung der Route entdeckt hatten, der wir uns anschlossen. Die beiden waren übrigens die Einzigen die wir trafen und die ebenfalls den Pfad von Rob Roy gewählt hatten, so dass wir die verschiedenen Schikanen diskutieren konnten und mit den Worten "It's just more fun" abhakten. Wir trennten uns anschließend und gingen voraus, das heutige Ziel war Bridge of Orchy, das letzte Dorf vor dem 35 Kilometer entfernten Kinlochleven. Der Weg führte uns größtenteils über alte Militärstraßen des 18. Jahrhunderts und Viehwege der Hochlandbauern und war damit der wohl am besten begehbare Abschnitt der gesamten Tour. In Bridge of Orchy kehrten wir im Hostel ein, aßen unsere Vorräte aus dem Rucksack um endlich das Gewicht etwas reduzieren zu können und unterhielten uns den ganzen Abend mit einigen der unterwegs kennengelernten Mitstreiter.

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Bridge of Orchy: Nebelverhangene Wälder beim Blick aus unserem Berghostel.

Auch wenn es nicht ständig erwähnt wird, so waren wir doch an 6 von 7 Tagen immer durchnässt. Trotz guter Wetterkleidung und imprägnierten Schuhen waren wir meist nach spätestens 1 bis 2 Stunden durch, noch vor dem Mittag. Jeden Abend musste irgendwie die Ausrüstung getrocknet werden und man selbst natürlich auch. Es klingt harmlos und ich selbst gehe sogar gern im Regen spazieren, doch die pure Nässe in der man jeden Tag acht Stunden unterwegs ist und das kalte, stürmische Wetter kann einen auf Dauer sehr zusetzen, so dass wir uns oft gegen das Zelten entschieden haben. Am späten Abend trafen wir noch einen Bergsteiger, welcher uns verschiedene Routen auf den Ben Nevis empfohlen hat. Ob dafür noch Zeit bliebe und das Wetter mitspielen würde? Daran haben wir nicht mehr wirklich geglaubt, aber man weiß ja nie. Das Wetter in Schottland kann nicht vorhergesagt werden und jeder Einheimische den wir darauf ansprachen konnte über eine solche Frage nur lächeln. Der folgende Tag sollte der mit der größten zurückgelegten Strecke werden. Aufgrund mangelnder Übernachtungsmöglichkeiten und des erwarteten Regens entschieden wir uns die nächsten drei Etappen des West Highland Way an einem Tag zu laufen.

22 Meilen Regen
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Rannoch Moor: Das größte (130 Km²) Moorgebiet Schottlands.

Morgens soll man essen wie ein Kaiser und das haben wir getan, für die vor uns liegenden 22 Meilen wollten wir ein paar Reserven anschaffen. Kaum wieder an der frischen Luft begann es relativ stark zu regnen, bereits eine Stunde nach Aufbruch waren wir schon wieder größtenteils durchnässt und wir hatten noch gut 20 Meilen vor uns. Das heutige Ziel bestand darin Kinlochleven zu erreichen, wenn alles gut gehen würde wäre dies der vorletzte Tag auf dem West Highland Way. Dazwischen lagen die Victoria Bridge sowie das Kingshouse Hotel, welches einsam und verlassen zwischen den Bergen Glen Coe Mountain und Stob Dearg steht. Meile für Meile wurde abgehakt, dabei kann das Rechnen in Meilen recht deprimierend sein, zwei Meilen über steiniges Gelände können sich schnell wie fünf Kilometer anfühlen, so dass wir doch wieder in die Zählweise der uns bekannten Kilometer übergingen und Schilder mit Angaben von wenigen Meilen etwas kritischer wahrgenommen haben. Nachdem wir die Victoria Bridge überquert hatten und uns mit zwei Frauen aus der Schweiz und Kalifornien kurzgeschlossen hatten standen wir nun vor dem größten Moorgebiet Schottlands, dem Rannoch Moor. Zunächst über breitere Wege gut begehbar machten wir einige der spektakulärsten Fotoaufnahmen überhaupt. Knapp unter der Wolkendecke passierten wir Berge an denen wir keinen Gipfel, kreuzten wir Stromschnellen dessen Ursprung wir nicht ausmachen konnten. Hier befanden wir uns am wildesten Punkt der Highlands und an diesem Ort sind die schönsten Panoramen entstanden.

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Stob Dearg: Der spektakulärste Gipfel (1022 m) des Buachaille Etive Mor.

Kurz nachdem wir das Rannoch Moor überquert hatten tauchten wir ein in das Tal Glen Coe, welches von den größten Bergen der Highlands geformt wurde. Nicht weit entfernt kehrten wir für wenige Minuten im gemütlichen Kingshouse ein und wärmten uns an einem heißen Tee während draußen der Regen stärker wurde. Die letzte Etappe nach Kinlochleven enthielt den größten Anstieg der gesamten Tour: Devil's Staircase – Teufelstreppe genannt, welche nahe des Gipfels von Stob Mhic Mhartuin vorbei führte. Hier oben tobte ein orkanartiger Sturm der uns nur mit Mühe und Not vorankommen ließ, Erinnerungen an den schon lange hinter uns gelassenen Conic Hill wurden auf unliebsame Art und Weise ins Gedächtnis zurückgeholt. Der Abstieg nach Kinlochleven verlief problemlos, wenn auch nicht einfach, auf jeden Fall bekamen wir die letzten vier Kilometer deutlich an unseren Füßen zu spüren. Als wir dann das Tagesziel erreichten eröffnete sich uns die wohl schönste Kleinstadt der Highlands - Kinlochleven. Geformt von den Stromschnellen des Flusses Leven, der direkt aus dem riesigen Blackwater Reservoir entspringt. Mit einem beschaulichen Pub versehen, dem Tailrace Inn, wo wir unseren vorletzten Stempel abholten. Zufällig teilten wir uns das B&B mit den beiden an der Victoria Bridge getroffenen Mitstreiterinnen. Das Gefühl warm duschen und vor allem sich abtrocknen zu können war nie schöner! Wir gingen davon aus die gesamte Tour so gut wie geschafft zu haben, nur 25 Kilometer waren noch übrig, bis an den Fuß des Ben Nevis. Doch wir irrten - es erwartete uns der nasseste und kälteste Tag in den Highlands.

Fort William
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Die Ruinen der Farm Tigh-na-sleubhaich auf dem Weg nach Fort William.

Nach einem abermals fast größenwahnsinnigen Frühstück zusammen mit den anderen Mitstreitern des B&B ging es auch schon los. Die letzte Anstrengung vor Fort William lag vor uns, und 130 Kilometer zu Fuß hinter uns, das Ende dieser schönen wenn auch feuchten Tour lag kurz bevor. Kaum hatten wir Kinlochleven verlassen verlief der Pfad steil bergauf hinaus aus dem Tal. Der gesamte restliche Weg lag stets 200 bis 300 Meter über dem Meeresspiegel, was für Kälte und einen starken Wind den gesamten Tag über gesorgt hat. Zusammen mit andauernden Regengüssen und unzähligen Flussüberquerungen waren wir schon gegen Mittag wieder völlig durch. Wir erreichten zunächst den kleinen See Lochan Lunn Da Bhra, der ungefähr die Halbzeit der heutigen Strecke markierte, und wir lagen gut in der Zeit. Wenn wir bei dem Tempo von 4 bis 5 Km/h geblieben wären, hätten wir Fort William pünktlich gegen 16:30 Uhr erreichen können. Doch der Weg wurde zunehmend beschwerlicher und was noch viel schlechter war: Der Sturm wurde kräftiger, der Regen dichter und es dauerte nicht mehr lange bis wir auf das letzte Hemd nass waren, wenig später folgte der Totaleinbruch in unseren Stiefeln. Wie wir am Abend in den Zeitungen erfahren haben, handelte es sich dabei um den Hurrikan Katia, welcher auf die Atlantikküste Schottlands traf, und Fort William liegt direkt am Ende von einem Meeresarm des Atlantiks. Wir liefen über windige Hügel und durch dunkle Nadelwälder, in denen wir den natürlichen Schutz nutzten um ein wenig zu pausieren. Der Ben Nevis, zu 80 Prozent in Nebel gehüllt, erschien uns völlig unspektakulär. Kaum als solchen wahrgenommen hofften wir endlich bald Fort William zu erreichen, doch der Ben Nevis zieht sich in die Länge und unser Ziel lag am anderen Ende des Berges. Nur sehr spärlich tauchten die ersten Häuser im Tal Glen Nevis auf, an das Gefühl wie in Badeschuhen zu laufen hatten wir uns bereits gewöhnt. Bis zum Grog And Gruel Pub, dem endgültigen Ziel des West Highland Way, haben wir noch drei Stunden benötigt, drei Stunden länger als in Lochan Lunn Da Bhra noch geplant waren.

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Schlechte Aussichten für Fort William: Hurricane Katia blows in!

Die letzten drei Tage haben wir dann in Fort William zugebracht. An eine Besteigung des Ben Nevis war aufgrund des Hurrikans nicht mehr zu denken, auch wenn ein breiter Forstweg auf den Gipfel des höchsten Berges Großbritanniens führt, so wurde uns doch von allen Seiten abgeraten bei diesen Wetterbedingungen ein solches Vorhaben in Angriff zu nehmen. Auf die Warnungen der Einheimischen zu hören war schon in Norwegen ein Jahr zuvor ein nicht zu unterschätzender Ratschlag und so beließen wir es und schauten uns die hier ansässige Ben Nevis Distillery an, probierten Whisky und erkundeten den Hafen von Fort William. Die Fahrt im Zug zurück nach Glasgow führte uns noch einmal einen Großteil der durchwanderten Landschaften vor Augen und zeigte uns die Natur auf der anderen Seite von Loch Lomond. Es ist erstaunlich wie günstig das Zug fahren verglichen mit Deutschland sein kann, selbst in einem teuren Land wie Großbritannien. Die uns entgegengebrachte Freundlichkeit, die Vielfalt der Natur aber auch die Unberechenbarkeit des schottischen Wetters werden mich mit Sicherheit wieder einmal in dieses Land führen. Außerdem muss der schottische Dialekt perfektioniert werden, welcher einfach viel sympathischer klingt als das übliche Englisch auf dieser Welt.